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1. Begegnung
2. Eroberung
3. Sex
4. Phantasien
5. Eifersucht
6. Alltag
7. Dreiecke
8. Krise
9. Trennung
10. Verliebtheit

Autoren
Aaron
Arthur
Charlotte
Gabriel
Hector
Jan
Judith
Lucia
Rebecca
Salome



Beiträge von

SALOME

SALOME: Der Zufall ist Begehren.
Kapitel 1, Absatz 5; siehe Kontext

SALOME: An Vorbestimmtheit glaubte ich auch. Ich war sogar davon überzeugt, daß es für jeden Menschen nur einen einzigen Partner geben könne, der mir 'von Ewigkeit her' bestimmt gewesen wäre. Ich liebte ihn schon, bevor ich ihn kannte.
Kapitel 1, Absatz 9; siehe Kontext

SALOME: Das stimmt nicht. Bei dir zu Hause hängen Bilder von Brigitte Bardot, Catherine Deneuve und Isabelle Adjani, alles Filmstars, die durch ihre Unerreichbarkeit und Künstlichkeit glänzen. Kalte Sterne am Firmament.
Kapitel 1, Absatz 17; siehe Kontext

SALOME: Es gibt den Zauber einer schönen Stimme, die vom Nebenzimmer durch die trennende Tür dringt und die Aufmerksamkeit erregt. Hector glaubt, daß sein sonorer Baß die Frauen betört.
Kapitel 1, Absatz 22; siehe Kontext

SALOME: In der Mythologie ist der Blick ein Machtinstrument. Er tötet, fasziniert, erschlägt und verführt. Der Blick des anderen gleicht dem der Medusa. Er lähmt und versteinert jeden, der sie anschaut oder den sie anschaut. So auch in der mystischen Lyrik: "Enthülle mir dein Angesicht und laß mich am Blitz deiner Schönheit sterben."
Kapitel 1, Absatz 27; siehe Kontext

SALOME: ...und Angst vor der Vereinnahmung, vor der Enteignung des Selbst.
Kapitel 1, Absatz 29; siehe Kontext

SALOME: Frauen, die hohe Absätze tragen, wissen um die Wirkung der Hüftbewegungen...
Kapitel 1, Absatz 35; siehe Kontext

SALOME: Es gibt jedoch Menschen, die den Mißerfolg suchen. Denkt an die Fabel mit den Trauben, die zu hoch hängen. Der eine bemüht sich vergeblich, sie zu erreichen und geifert ein Leben lang danach, während der andere sich mit dem Gedanken tröstet, daß die Trauben vermutlich sauer sind, weitergeht und süße Trauben findet, die ihn glücklich machen.
Kapitel 1, Absatz 41; siehe Kontext

SALOME: Lyriker beschreiben die Liebe als mystische Verzückung. Der Liebende hat ein hohes Ideal und projiziert es auf das geliebte Wesen. Es ist nicht erstaunlich, daß er das Objekt seiner Leidenschaft überschätzt.
Kapitel 1, Absatz 43; siehe Kontext

SALOME: Die heilige Angela von Foligno, ein Bild von Jesus betrachtend, hörte ihn zu sich sprechen: "Meine süße Tochter, mein Mädchen, meine Geliebte, mein Tempel... Liebe mich, denn ich liebe dich viel, viel mehr, als du mich lieben kannst." Als Kind träumte ich oft, Jesus hätte mich unter tausend Kindern ausgewählt und auf seinen Schoß genommen. Fortan lebte ich in der Überzeugung, einen Mann zu treffen, der - einzigartig auf der Welt - meiner Liebe würdig war, so wie ich in meiner Phantasie der Liebe Jesus würdig gewesen war.
Kapitel 1, Absatz 45; siehe Kontext

SALOME: Ohne Schönheit kein Roman, kein Film, keine Werbung. Doch das alles interessiert uns nicht. Wir sprechen von der Liebe, und Liebe ist in ihrer Wahrnehmung subjektiv, weil wir es mit einer Vision zu tun haben. Diese ist nicht nur an unsere Blicke adressiert, sondern nimmt eine tiefere Wahrnehmung in Anspruch. Sie verfügt über unser ganzes Sein.
Kapitel 1, Absatz 57; siehe Kontext

SALOME: Der Begriff der Schönheit ist flüchtig und zudem veränderlich in Raum und Zeit. Denkt an die Größe des Busens. In wirtschaftlicher Wiederaufbauzeit üppig wie bei Marilyn Monroe oder Anita Ekberg, in den sechziger Jahren flach wie bei Twiggy. Und heute wird wieder mit der weiblichen Potenz geprotzt.
Kapitel 1, Absatz 59; siehe Kontext

SALOME: Ich habe Männer mit Worten erschlagen. Jahrhunderte französischer Literatur steckten dahinter. Durch die erotische Kraft des Erzählens erhoffte ich, den Mann zu entwaffnen. Zugleich hielt ich ihre ungestümen Gefühle in Schach, die Worte boten mir Schutz.
Kapitel 1, Absatz 63; siehe Kontext

SALOME: Ich lernte einmal einen sehr attraktiven Mann kennen. Als er lächelte, sah ich an der Seite eine Zahnlücke wie bei meinem Vater. Damit war die Faszination erloschen.
Kapitel 1, Absatz 76; siehe Kontext

SALOME: Ähnlichkeit kann erfrischend sein. Ich habe einmal innerhalb einer Dreierbeziehung versucht, mich von dem Jesusbild und der Komplementarität zu befreien, die ich so lange ersehnt hatte. Der andere Mann war genau das Gegenteil meines Partners: Er hatte dunkle Haare und eine dunkle Haut. Er sah aus wie ein Zigeuner, wie ein Bruder aus einem früheren Leben. Daraus entstand eine Art Geschwisterliebe.
Kapitel 1, Absatz 82; siehe Kontext

SALOME: Ich kenne auch beides, die Suche nach dem Ähnlichen und die Suche nach dem Fremden. Für jeden von uns ist die Landschaft eine Verlängerung unseres primären Narzißmus. Ich entschied mich schließlich für Landschaften, die mich von meiner Kindheit lösten. Im Ausland suchte ich nach einem anderen Bild, nach einer anderen Sprache. Alle, die sich in Ausländer verliebt haben, kennen das. Sie lieben im anderen die Fremdheit und das Mysteriöse, nicht die Ähnlichkeit oder das Vertraute. Dieses Wagnis ist ein Abenteuer, das nie enden will.
Kapitel 1, Absatz 85; siehe Kontext

SALOME: Wir reden jetzt nicht über Abenteuer. Der Wählende antizipiert die Beziehung. Wenn er erfahren ist, weiß er die feinen Hinweise zu deuten: unsicher fliegende Blicke in unübersichtlichen Gruppensituationen, Schwung oder Stocken in der Stimme, Zurückgezogenheit oder Aufgeräumtheit inmitten der anderen, sichtliches Wohlbefinden oder ängstliches Auf-der-Hut-Sein: alles Hinweise auf mögliche Verhaltensweisen in einer Partnerschaft.
Kapitel 1, Absatz 98; siehe Kontext

SALOME: Manche Muttersöhnchen suchen sich eine charakterschwache Frau, um sich gegen die mütterliche Herrschaft aufzulehnen. Das werden später die Haustyrannen.
Kapitel 1, Absatz 101; siehe Kontext

SALOME: Liebe kreist um den eigenen Bauchnabel. Man sucht und hofft, die eigene Vollendung mit Hilfe des anderen zu erreichen. Beantwortet die Frage: Wollt ihr den Partner oder den Prestigezuwachs? Könnt ihr den Partner nahtlos in eure Welt einfügen? Geht ihr das Risiko ein, enterbt zu werden? Verzichtet ihr auf ein Zerwürfnis mit der Familie und lehnt die Mesalliance ab? Wenn ihr die Fragen ordnungsgemäß beantwortet, habt ihr eine konservative Liebesform gewonnen.
Kapitel 1, Absatz 106; siehe Kontext

SALOME: Wir sprechen die ganze Zeit von Prägungen und vergessen die Gleichgültigkeit, die Beliebigkeit. Geeignete Bedingungen vorausgesetzt, kann jeder Liebe induzieren. Stendhal beschreibt dazu eine vergnügliche Szene: "In einer völlig gleichgültigen Seele, in einem jungen Mädchen, das in einem isolierten Herrenhaus in der tiefsten Provinz lebt, kann das kleinste Erstaunen eine kleine Bewunderung auslösen, und wenn sich dann die leichteste Hoffnung hinzugesellt, wird hier die Liebe geboren."
Kapitel 1, Absatz 114; siehe Kontext

SALOME: Es folgen die Krisen, in denen die Variationen der Lebenswege erprobt werden. Es ist faszinierend, was das Leben aus atemberaubenden, mitreißenden und lustvollen Begegnungen macht. Die Versöhnungen entscheiden, ob der andere doch der richtige war.
Kapitel 1, Absatz 117; siehe Kontext

SALOME: Wie Madame Bovary an ihrem Fenster, bis der Verführer die Szene betritt...
Kapitel 1, Absatz 122; siehe Kontext

SALOME: Wer sich von Ängsten schrecken läßt, wird natürlich kein Frauenheld. Er bekommt nie den professionellen Blick dafür, welche Frau für seine Vorstöße empfänglich ist und welche nicht.
Kapitel 2, Absatz 132; siehe Kontext

SALOME: Nein, ich bitte dich! Das war kein Casanova, sondern ein Don Juan. Casanova war erst zufrieden mit sich selbst, wenn er die Geliebte des Augenblicks beglückt hatte. Er war zwar weder für die Ehe, noch für Familie oder Treue geschaffen, aber er liebte die Liebe und deren Vertreterin: die Frau. Für Don Juan hingegen war die Frau nur eine Beute.
Kapitel 2, Absatz 134; siehe Kontext

SALOME: Natürlich. Casanova verehrte die Frauen in seinem Innersten, alle Frauen. Er war der perfekte Liebhaber. Was solche Männer so faszinierend macht, ist ihr Sinn für die Weiblichkeit. Im Grunde sind sie heimliche Lesben.
Kapitel 2, Absatz 136; siehe Kontext

SALOME: Das trifft auch für das Phänomen Madonna zu: postmoderne Verführerin par excellence, Meisterin in der Kunst der Stilisierung. Durch das Kokettieren mit Bisexualität, mehreren Partnern, Transvestismus und Sadomasochismus verwischt sie die Grenzen zwischen Mann und Frau. Sie nennt das geschlechtslosen Sex, weil geschlechtsloser Sex nicht beschränkt. Ihr Körper ist voll sexueller Zeichen und Aufforderungen, aber er bleibt unberührbar, selbstbezüglich, nichts als leere Schablone für ihre diversen Chamäleon-Häute.
Kapitel 2, Absatz 141; siehe Kontext

SALOME: Ist ein Jäger ein Mann, der gern Hasen ißt? Die Lust besteht doch darin, ihn zu erlegen. Der Mythos von Don Juan ist die perfekte Illustration des Verführers, der im Grunde die Frauen haßt. Er verachtet sie, obwohl er sie nicht entbehren kann. In diesem Sinne ist er der Anti-Casanova, ein Krieger. Das wichtigste Merkmal bei Don Juan ist die Rivalität zu den anderen Männern, zu den Männern der Frauen, die er begehrt und die er an die Wand zu spielen versucht.
Kapitel 2, Absatz 143; siehe Kontext

SALOME: Wenn ich Verführung höre, denke ich an das Lied der Sirenen. Der Tod tritt ins Spiel. In der Verführung geht es darum, den anderen wahnsinnig zu machen. Das Liebesspiel eines Don Juan ist grausam, denn er will weder lieben noch verwöhnen, weder dem anderen gefallen noch geliebt werden. Sein Geheimnis ist die Beherrschung des Scheins, die ausgefeilte Konstruktion, in der sich das Begehren des anderen verliert. Seine Verführung - oder seine Macht - besteht darin, den anderen glauben zu lassen, daß er Subjekt des Verlangens ist, ohne in die eigene Falle zu gehen.
Kapitel 2, Absatz 146; siehe Kontext

SALOME: Er verhält sich wie ein maskierter Stratege. Er nähert sich ihr respektvoll, schmeichelt ihr, heuchelt Leidenschaft. Einmal am Ziel angelangt, genießt er die dreifache Qual der Frau: sie zu beschämen, sie bloßzustellen und sie am Ende zu verlassen. Er zieht sich zurück, und die Frau ruft nach ihm. Er ist der nährende Stoff, die Droge, die er häppchenweise dosiert, bevor er alles zurücknimmt und sie auf Entzug setzt.
Kapitel 2, Absatz 151; siehe Kontext

SALOME: Eine Mutter, ein Spiegel.
Kapitel 2, Absatz 153; siehe Kontext

SALOME: Dir seine Weiblichkeit und Schönheit aneignen... Das entspringt schon der Verführung als Strategie, um die Andersartigkeit zu wecken, die in uns schläft. Diese Spaltung kenne ich auch, zwar nicht zwischen schön und häßlich, sondern zwischen gut und böse, blond und dunkel. Das war fast krankhaft. Früher konnte ich mit blonden Frauen nicht umgehen. Für mich war das Blonde das Weibliche und Engelhafte, und das war mir bei einer Frau zuviel. Blond und Mann fand ich vollkommen, jenseits von Gut und Böse. Lucia hat recht: Die Weiblichkeit im Mann ist das Höchste.
Kapitel 2, Absatz 160; siehe Kontext

SALOME: Die Erotik über Schleimhautkontakte kommt ohnehin aus der Mode. Das ist in AIDS-Zeiten adäquat. Die Sozialforscher sprechen von einer Onanisierung des menschlichen Trieblebens.
Kapitel 2, Absatz 166; siehe Kontext

SALOME: Wie in Soderberghs Film Sex, Lügen und Videos. Der Held ist nicht imstande, eine wirkliche Frau zu lieben. Er onaniert, während er ihren sexuellen Bekenntnissen zuhört, die er auf Video aufgenommen hat.
Kapitel 2, Absatz 168; siehe Kontext

SALOME: Für mich der Mund und die Worte, die daraus sprühen, das Lachen.
Kapitel 2, Absatz 171; siehe Kontext

SALOME: Verführer, Männer wie Frauen, verstehen, es zu erscheinen und wieder zu verschwinden, sich zur Hälfte hinzugeben, sich in ein Geheimnis zu hüllen und als Spiegel der Phantasie zu dienen, kurz: sich unantastbar zu machen. Hier wird die Verführung in der Verleugnung deutlich, da ja die Herausforderung ein wesentliches Element der Verführung ist.
Kapitel 2, Absatz 173; siehe Kontext

SALOME: Gelegentlich hat jemand versucht, meine Widerstände mit Alkohol hinwegzuschwemmen.
Kapitel 2, Absatz 179; siehe Kontext

SALOME: Besser als Hunde sind Kinder. Der Sohn eines Freundes war mit sechs Jahren in der Lage, im Café auf Anhieb diejenige herauszufinden, die seinem Vater gefiel. Nach wenigen Minuten saß er der Schönen auf dem Schoß und zitierte seinen Vater herbei.
Kapitel 2, Absatz 183; siehe Kontext

SALOME: Ich kenne diese Masche sonst nur von Männern, die jeder Frau systematisch die gleichen Geschenke machen. Dann findet man bei den Vorgängerinnen die gleichen Ohrringe, die gleichen Bilder. Vermutlich haben sie eine Schablone im Kopf und projizieren dieses Bild auf ganz verschiedene Frauen.
Kapitel 2, Absatz 186; siehe Kontext

SALOME: Und dennoch sind die Wiederholungen in der Liebe unerträglich. Am einfallsreichsten ist man vielleicht in der Jugend. Mit zwölf habe ich in der Schule Ohnmachten fingiert, ganz im Sinne der literarischen Schwindsucht. Leider beugten sich immer die Falschen über mich.
Kapitel 2, Absatz 191; siehe Kontext

SALOME: Aber das alles sind nur die weniger effizienten Varianten des italienischen Grundmodells: der allabendlichen Passeggiata, zu der die ganze Stadt sich trifft und wo die Blicke rasen. Dort läuft Anmache zu zweit, mit einem Freund oder einer Freundin. Ein Auftritt im Duo ist lebendiger und attraktiver als die cool starrende Solo-Anmache.
Kapitel 2, Absatz 195; siehe Kontext

SALOME: Aber nicht für Frauen allein. Männer glauben einem doch fast alles.
Kapitel 2, Absatz 205; siehe Kontext

SALOME: Der Brief hat den Wert eines Fetischs. Er ist das Symbol des angebotenen Sexus, die Kompensation einer Abwesenheit.
Kapitel 2, Absatz 209; siehe Kontext

SALOME: Einspruch!
Kapitel 2, Absatz 213; siehe Kontext

SALOME: Oder einer Flugreise. Manche Männer quälen mit ihrem langweiligen Geschwätz.
Kapitel 2, Absatz 218; siehe Kontext

SALOME: Schönheit ist nicht nur eine Kategorie der Ästhetik. Die visuelle Wahrnehmung, das Sehen an sich, unterliegt Veränderungen. Wir sehen häufig mit den Augen eines anderen. Wenn der andere - eine Person, eine Gruppe, eine Gesellschaft - großen Einfluß hat, wird die Schönheit zum Gegenstand zwischenmenschlicher Interaktion, wobei der eine sich der Macht der anderen fügt. Der Mensch und im besonderen die Frau verfügt nicht frei über ihre Erscheinung, denn Schönsein ist immer ein Schönsein-für, ein Aus-sich-Heraustreten.
Kapitel 2, Absatz 228; siehe Kontext

SALOME: Die Mode- und Kosmetikindustrie lebt von diesen Selbstzweifeln: der Auseinandersetzung mit den eigenen Problemzonen und dem Zorn über die Mitgift der Natur, wenn die Abweichungen von den Standardvorstellungen zu augenfällig sind.
Kapitel 2, Absatz 233; siehe Kontext

SALOME: Je älter man wird, desto weniger funktioniert die Strategie des Rückzugs. Das zunehmende Unsichtbar-Werden kann vernichtend sein, wenn eine Frau ein Leben lang den anerkennenden Blick gesucht hat, der ihr bestätigt, daß sie gefällt und begehrenswert ist.
Kapitel 2, Absatz 237; siehe Kontext

SALOME: Schön wär's. Ich habe eher den Eindruck, daß der weibliche Erfolgs-Mythos einen machistischen Rückschlag hervorrufen wird. Eine Frau, die sich offen zu ihrer Sexualität bekennt und sie auslebt, wird nach wie vor als furchterregend eingestuft. Das Grundmodell des immer potenten Machos liefern uns die Bodybuilder der Werbebranche mit ihrem gefährlichen Männlichkeitsmythos. Auch die dandyistische Handlung suggeriert männliche Vollkommenheit. Der einzige Haken dabei ist, daß die Frau für den Dandy unentbehrlich ist. Er findet alles, was der Frau bis heute zustand, in sich selbst: das Modische und Musische, das Narzißtische und das Ästhetische. Der neue Mann genügt sich selbst.
Kapitel 2, Absatz 240; siehe Kontext

SALOME: Nein! Liebe ist nicht auf Sexualität allein zurückzuführen. Das Lustempfinden geht über den rein biologischen Triebzusammenhang hinaus. Es gehört dem Bereich des Psychischen ebenso sehr an wie dem des Körperlichen.
Kapitel 3, Absatz 258; siehe Kontext

SALOME: Es soll diese Verschmelzung herstellen, erreicht sie aber nie. Das Paradoxe und Traurige der Sexualität liegt darin begründet, daß ihre vollkommene Erfüllung unmöglich ist. Sobald der Akt beendet ist, trennen sich Partner und Körper aufs neue. Der Körper wird wieder fremd, lebt für sich statt für mich.
Kapitel 3, Absatz 260; siehe Kontext

SALOME: Noch einmal zu Arthur: Mir ist die Beschränkung der gemeinsamen Körperlichkeit in der Liebe auf den Sex zu einfältig. Natürlich sind zwei Liebende auch zwei liebende Körper. Aber die körperliche Beziehung in der Liebe ist viel zu umfassend, als daß sie sich auf das Genitale zurückführen ließe. Es gibt eine Reihe von intensiven körperlichen Kontakten, die für die Liebe grundlegend sind, jedoch nichts mit Sex zu tun haben. In vielen Situationen geht es nur um Nähe: daß man sich berührt, streichelt, umarmt, um Geborgenheit zu geben und zu spüren. Dann dreht es sich nicht um die Körper an sich. Die Körper stellen das her, was die Liebenden spüren wollen: Anwesenheit und Nähe.
Kapitel 3, Absatz 270; siehe Kontext

SALOME: Das primäre Begehren wurde in den Zweck der Fortpflanzung gestellt und unterdrückt. In der Liebe setzt es sich wieder durch. Die Zärtlichkeit fließt in mir wie ein Saft, sie gibt mir meine Wurzeln zurück.
Kapitel 3, Absatz 272; siehe Kontext

SALOME: Sex ist vor allem ein endlos verspieltes Spiel. Am schönsten sind lange Vorspiele, ganz ohne Ziel vor Augen.
Kapitel 3, Absatz 278; siehe Kontext

SALOME: Ich finde Arthurs venerischen Appetit gesund, aber ein wenig roh. Diese Art Sexualität ist charakteristisch männlich. Außerdem unterstellst du, daß sublimierte Begehren geringere Befriedigungen bieten als die rohen. Der Mensch aber besteht in der Sublimierung. Du willst zurück zum Animalischen, zum Primären – du suchst Dionysos. Das ist ein gefährliches Unterfangen und vielleicht auch ein illusorisches.
Kapitel 3, Absatz 281; siehe Kontext

SALOME: Was bedeutet dieses Fieber, das dich bis zur Raserei treibt, wenn nicht eine explosive Äußerung des Strebens nach Auflösung der Dualität und Sehnsucht nach Symbiose.
Kapitel 3, Absatz 292; siehe Kontext

SALOME: Für mich ist das Begehren selbst viel lustvoller als der Akt. Dazu gehört wesentlich die Sprache. Das Begehren, das sich in Worten äußert, die man sich zuflüstert. Die plötzlich alles anstoßen, einen sexuellen Taumel auslösen. Es können viele Worte sein oder nur ein einziges. Manchmal ist es nur die Stimme, der bestimmte Ton, die Schwingung.
Kapitel 3, Absatz 315; siehe Kontext

SALOME: In der Erotik verändert sich die Funktion der Sprache. Die Sprache findet ihre Wurzeln wieder, kehrt zurück zum Augenblick ihrer Entstehung. Unartikuliert ist sie Schrei und Lautmalerei.
Kapitel 3, Absatz 318; siehe Kontext

SALOME: Am Anfang ist man unersättlich, das hat aber nicht unbedingt etwas mit Sexualität zu tun. Es geht um eine Obsession, eine hektische Sucht, immer, überall beim anderen zu sein, ohne Unterlaß. Man will den anderen mit sich bedecken, alle Distanzen überwinden. Es gibt eine Angst, nicht genug zu erfahren, nicht alles zu entdecken.
Kapitel 3, Absatz 338; siehe Kontext

SALOME: Irgendwann kann dir das Körperliche auch zuviel werden, zuviel Nähe und Verschmelzung bedeuten. Gerade in einer längeren Beziehung sind Distanzierungen wichtig. Die Anorgasmie der Frau wie auch bestimmte Formen der Impotenz beim Mann entstehen aus der Furcht, ganz und gar vereinnahmt zu werden.
Kapitel 3, Absatz 340; siehe Kontext

SALOME: Man muß Tricks finden, um sich den Sex aufregend zu erhalten. Sexualität muß man sich erarbeiten. Ein Kniff sind Unterbrechungen, kürzere oder längere Phasen, in denen man sich zurückhält. Man kann den Sex inszenieren.
Kapitel 3, Absatz 343; siehe Kontext

SALOME: Das Wesentliche im Sex ist die Vielfalt. Die Zeit der Vorherrschaft des Genitalen ist vorbei. Das heißt aber: Wir haben veränderte Körper. Die Losung müßte lauten: 'polymorphe Sexualität'. Frauen waren noch nie so zentriert um ihr Geschlecht. Im Grunde ist jede Frau von Natur aus homosexuell.
Kapitel 3, Absatz 346; siehe Kontext

SALOME: Ich finde den 'wilden Sex' sehr männlich. Liebkosen ist eine Art, sich auf die Frau einzulassen, allgemein auf das Weibliche einzugehen, weil Frauen einen ganz anderen Rhythmus haben als Männer. Frauen brauchen viel länger, um zum Orgasmus zu kommen. Das Vorspiel ist eine Spiegelung der Sexualität selbst.
Kapitel 3, Absatz 365; siehe Kontext

SALOME: Das meinte ich nicht. Es ist die Frage, ob man das Vorspiel männlich-kurz oder weiblich-ausgiebig praktiziert. Die langen Vorspiele in den romanischen Ländern sind ein Eingehen auf die weibliche Sexualität.
Kapitel 3, Absatz 367; siehe Kontext

SALOME: Ich mache auch keine Trennung zwischen Mann und Frau, sondern zwischen männlich und weiblich. Diese Anteile weist jeder auf. Es ist kein Zufall, daß die deutschen Frauen so auf südländische Männer abfahren. Die haben nicht mehr Sexappeal. Da geht es nicht um Sex, es geht um die Verführung durch Worte.
Kapitel 3, Absatz 369; siehe Kontext

SALOME: Sondern daran, wie die Erziehung die Jugendlichen mit Sexualität konfrontiert. Der Koitus hat nichts Natürliches. Es ist ein historisches Produkt, die Festschreibung eines bestimmten Machtverhältnisses zwischen Mann und Frau.
Kapitel 3, Absatz 371; siehe Kontext

SALOME: Daher läßt die Werbung die Frau hinter dem Schleier oder dem Schador verschwinden. Die Auflösung ihrer Sexualität sieht man auch im anorektischen Körperbild der extrem dürren Mannequins. In der Modebranche kursiert sogar das Bonmot, die beste Frau sei der Transvestit! Wohin soll das führen!
Kapitel 3, Absatz 374; siehe Kontext

SALOME: Ein Frauenkörper fühlt sich viel weicher an. Das war immer mein Problem mit Männern. Selbst die kleinen Details, zum Beispiel die Ohrläppchen. Oder nimm die Brüste. Wie soll ich bei einem behaarten Mann meine Sehnsucht nach glatter Haut, nach diesem Weichen und Fülligen stillen. Es verlangt der Frau eine enorme Überwindung ab, den Mann als ein erotisches Objekt wahrzunehmen. Schließlich war die Mutter das erste Liebesobjekt, an dem alles Begehren entfacht und ausgebildet wurde.
Kapitel 3, Absatz 391; siehe Kontext

SALOME: Lucia hat eine starke männliche Komponente. Die Phantasie, Grenzen im dunklen Raum zu sprengen, kenne ich eher von Männern. Sie fühlen sich im unpersönlichen Dunkel des Instinkts beruhigt, von der Last ihrer festgelegten Identität befreit. In der Anonymität halten sie sich in einem undifferenzierten Leben und in der Erinnerung ihrer gesichtslosen Vergangenheit auf, als sie noch eins mit ihrer Mutter waren.
Kapitel 4, Absatz 420; siehe Kontext

SALOME: Du mußt das als Metapher verstehen. Die Geschlechter nähern sich einander an, vermischen sich, sie werden androgyn. Es ist eine Inszenierung der Geschlechtsrollen, die sich untereinander vertauschen können. Rebecca ist im Trend, das siehst du in sehr vielen Video-Clips und in der Werbung. Die Schwulen in Italien haben das immer schon inszeniert. Der griechische Uranuskult, der noch nach dem Zweiten Weltkrieg in Neapel von den Transvestiten praktiziert wurde, imitiert den Akt des Gebärens.
Kapitel 4, Absatz 427; siehe Kontext

SALOME: Man kann sich natürlich für sich selbst anziehen. Das ist dann eine Form der Autoerotik.
Kapitel 4, Absatz 432; siehe Kontext

SALOME: Ja, ja, das ist eben das umgekehrte Klischee: Der richtige Mann nackt und die Frau in Reizwäsche. Ich bin da sehr zwiespältig. Die Designer von Männerunterwäsche achten auf Sexappeal, doch leider verwenden die meisten Männer wenig Zeit und Sorgfalt auf ihr Äußeres. Einige Bodysuite sind doch ausgesprochen erotisch. Und lange Unterhosen hat sogar James Dean getragen. Die Dessous machen den Mann unantastbar. Trotzdem trage ich keine Reizwäsche. Mieder, Strapse... Solche Accessoires verbinde ich nach wie vor mit Unterwürfigkeit und Selbstzucht.
Kapitel 4, Absatz 441; siehe Kontext

SALOME: Arthur lebt die Verschmelzungsphantasie in der körperlichen Intimität. Jede Frau wird zugeben, daß die größte Mystikerin, Theresa von Avila, den höchsten Grad von Lust in der sinnlichen Liebe wunderbar beschrieben hat.
Kapitel 4, Absatz 485; siehe Kontext

SALOME: Ein kleiner Tod.
Kapitel 4, Absatz 487; siehe Kontext

SALOME: Das sind Bräuche aus der Steinzeit. Man nahm und hielt gefangen, was man an sich binden wollte.
Kapitel 4, Absatz 492; siehe Kontext

SALOME: Die Eifersucht erfindet Geschichten. Sie macht die Mücke zum Elefanten. Ihre Einbildungskraft liegt unentwegt auf der Lauer nach diesen Mücken, die für die meisten anderen noch nicht einmal zu sehen sind.
Kapitel 5, Absatz 516; siehe Kontext

SALOME: Viele Menschen können sich keine Liebe vorstellen ohne Eifersucht. Keine Eifersucht zu empfinden, das heißt, nach ihrer Auffassung, nicht zu lieben. Deswegen suchen sie sich Partner aus, die sie eifersüchtig machen.
Kapitel 5, Absatz 518; siehe Kontext

SALOME: Ich brauche auch sehr gewichtige Gründe, um Eifersucht zu empfinden.
Kapitel 5, Absatz 536; siehe Kontext

SALOME: In dem Wort Eifersucht ist das Wort Sucht enthalten, die Sucht, sich zu ereifern. Pathologisch wird die Eifersucht erst, wenn sie einen zwanghaften Charakter annimmt. Für mich ist ein eifersüchtiger Mensch jemand, der keinen Grund hat. Aber was berechtigt zur Eifersucht und was nicht?
Kapitel 5, Absatz 548; siehe Kontext

SALOME: Das hängt davon ab, welche Rolle der frühere Partner gespielt hat.
Kapitel 5, Absatz 555; siehe Kontext

SALOME: Das bekommst du nie heraus. Ist Eifersucht überhaupt etwas Natürliches?
Kapitel 5, Absatz 570; siehe Kontext

SALOME: Ich verstehe, was du meinst. Für mich gibt es nur eine Art, mit der Eifersucht umzugehen: die Souveränität. Darin liegt für mich die einzige Hilfe. Ich will das beste daraus machen, ich will verhindern, daß sie mich vernichtet.
Kapitel 5, Absatz 575; siehe Kontext

SALOME: Das erinnert mich an eine Frau, die immer wieder solche Konstellationen wählte. Entscheidend war für sie, daß sie sich in das Verlassenheitsgefühl der anderen Frau, mit der der Mann eine Beziehung hatte, hineinversetzte. Sie erzählte einmal, daß sie dieses Gefühl von Verlassenwerden und Eifersucht in der Liebe als eine Art Keimzelle für einen immer wieder möglichen Neuanfang brauchte. Ohne diesen könne in ihr keine Liebe entstehen. Die Idee dahinter gefällt mir, schade nur, daß sie von dieser Konstellation abhängig blieb, daß es ihr nicht gelang, neue Anfänge zu säen.
Kapitel 5, Absatz 577; siehe Kontext

SALOME: In der Phantasie wird die andere Frau als vollkommen imaginiert und mit allen Attributen der Weiblichkeit ausgestattet. Deshalb will ich an der Macht dieser anderen Frau teilhaben. Das ist eine Suche nach dem eigenen Selbst im Ähnlichen.
Kapitel 5, Absatz 580; siehe Kontext

SALOME: Diese Anverwandlung ist mir bekannt. Ich kenne sie als Unfähigkeit, eine Frau abzulehnen, die meinen Geliebten liebt. Weil sie ihn liebt, haben wir etwas Gemeinsames. Wir sind Schwestern. Ich habe früher wegen zwei Frauen gelitten, aber ich habe sie auch geliebt. Das ist meine Art, die Eifersucht zu verdecken, die bösen Geister zu beschwören.
Kapitel 5, Absatz 590; siehe Kontext

SALOME: Es gibt dann etwas, was uns verbindet: die Liebe zu ihm.
Kapitel 5, Absatz 592; siehe Kontext

SALOME: Simone de Beauvoir ist noch weiter gegangen. Als Sartre sich in Olga verliebte, wurde die Beauvoir zu seiner schlimmsten Rivalin. Ein paar Jahre später machte Sartre Simones Schwester Wanda zu seiner Geliebten. Zufall?
Kapitel 5, Absatz 595; siehe Kontext

SALOME: Es ist keine Identifikation, sondern der Versuch, vom Zustand einer Frau, die noch nicht ist, zu dem Zustand einer anderen Frau überzugehen, die für vollkommen gehalten wird. Der Einsatz in diesem Konflikt ist nicht ungefährlich, das Gefühl der Leere, das Gefühl, keinen Körper zu haben, behält meist die Überhand. Eine Möglichkeit, die Eifersucht zu sublimieren, liegt gewiß darin, von der anderen Frau Besitz zu ergreifen.
Kapitel 5, Absatz 610; siehe Kontext

SALOME: Auch eifersüchtige Menschen sind verzweifelt.
Kapitel 5, Absatz 616; siehe Kontext

SALOME: Eine Lebendigkeit vielleicht, die auf der Kippe steht und in Formen des Wahnsinns abzugleiten droht. Dann treibt das subjektive Empfinden tiefer Unmittelbarkeit und Echtheit die Gefühle in eine wahnhafte Raserei hinein.
Kapitel 5, Absatz 621; siehe Kontext

SALOME: Eifersucht beruht immer auf unausgedrückten, projizierten Wünschen. Mir kommt die Geschichte eines jungen Mannes in den Sinn, der zu schüchtern war, um mit seiner Freundin zu schlafen, seine Vorstellungen auf einen Freund projizierte und dann eifersüchtig auf ihn wurde. Er malte sich genau das aus, was er als seinen eigenen Wunsch nicht zum Ausdruck bringen konnte.
Kapitel 5, Absatz 631; siehe Kontext

SALOME: Auch eine Verabredung ohne den anderen ist eine kleine Trennung, und mit dem Zurückkehren steigere ich mich in die Vorstellung des Sich-Wiederfindens hinein.
Kapitel 5, Absatz 643; siehe Kontext

SALOME: Es kann nicht wirklich um eine Überwindung gehen, denn dann würde ich den anderen in meinem Inneren auslöschen. Das völlige Fehlen von Eifersucht scheint mir nur Ausdruck einer – vormals gewaltigen – Sprengung der Brücke zu sein, über die ich mich zu dem Geliebten hinphantasiere. Es macht auf mich den Eindruck, als weigere sich jemand – und diese Weigerung beruht wohl auf seiner Geschichte –, seiner Vorstellungskraft bezüglich des anderen so freien Lauf zu lassen, daß es ihm Schmerzen bereiten könnte. Lieber besteht man auf der Sprengung der Brücke. Mir scheint, die Eifersucht hat etwas mit dem Freiwerden von Phantasien zu tun, die sich an dem anderen entzünden. Insofern ist sie nicht egozentrisch. Ich würde mir eher einen möglichst freien, spielerischen Umgang mit diesen Phantasien wünschen als ihre Überwindung. Sie zulassen und zum Ausdruck bringen, um zu verhindern, daß man von ihnen bestimmt wird.
Kapitel 5, Absatz 652; siehe Kontext

SALOME: Diese Abgrenzung von Vater und Autorität spricht für deinen freien Willen. Das würde ich mehr Männern wünschen. Die meisten übernehmen vollkommen kritiklos die Unarten ihrer Väter oder machen sogar noch eine Tugend daraus.
Kapitel 6, Absatz 663; siehe Kontext

SALOME: Harmonie war für mich immer gleichbedeutend mit Tod. Liebe stellt nie zufrieden, doch diese Unvollständigkeit gehört zum Wesen der Liebe.
Kapitel 6, Absatz 687; siehe Kontext

SALOME: Trotzdem glaube ich, daß das Harmoniedenken reine Illusion ist. Niemand weiß wirklich, ob es am nächsten Tag so weitergeht wie bisher. Die meisten Männer verwechseln Liebe mit Sicherheit, das ist ihr Harmoniewahn. Sobald die Liebe sich in Richtung Harmonie entwickelt, haben die Frauen Angst, daß es keine Liebe mehr ist, sondern nur noch Gewohnheit. Männer fühlen sich am wohlsten, wenn sie sicher und geborgen sind wie in Mutters Schoß.
Kapitel 6, Absatz 691; siehe Kontext

SALOME: Dazu möchte ich nichts sagen. Doch Vertrautheit in Fragen der Verdauung, also im Nichtsexuellen-Intimen, ist ein ebenso wichtiger Punkt wie die im sexuellen Umgang miteinander.
Kapitel 6, Absatz 699; siehe Kontext

SALOME: Mit fünfzehn sah ich, wie der damalige Mann meiner Träume auf die Toilette ging. Es war ein Schock. Ich wußte zwar, daß die Natur die Märchenprinzen nicht von physiologischen Notwendigkeiten ausnimmt, doch der Gedanke daran war abscheulich. Als die Klotür wieder aufging, war meine erste Jugendliebe zu Ende.
Kapitel 6, Absatz 703; siehe Kontext

SALOME: Darum kann es nicht gehen. Trotz aller Plauderei bleibt ein verschwiegener Rest um die Scham, die Nacktheit. Ich finde dieses Bedürfnis nach einer Intimsphäre – und auch seine autoerotische Komponente – sehr schön. Ein Mann, der dort wie ein Elefant in den Porzellanladen einbricht, hätte bei mir keine Chancen.
Kapitel 6, Absatz 717; siehe Kontext

SALOME: Diese wartende Realität kenne ich gut. Mein Partner verfolgte mich in jungen Jahren bis vor die Toilettentür, weil er sich nach mir sehnte.
Kapitel 6, Absatz 721; siehe Kontext

SALOME: Der Staubsauger ist ein wichtiges Element in der Partnerschaft. Ich habe immer Todeswünsche beim Staubsaugen. Früher bin ich mit einem Stuhl oder einem Gegenstand auf den anderen losgegangen. Heute sauge ich Staub, um die Todeswünsche auszutreiben. Medea bestraft Jason, indem sie die Kinder tötet, die sie mit ihm gezeugt hat. Kinder habe ich keine. Also sauge ich alle Geldstücke auf, die aus seinen Taschen fallen.
Kapitel 6, Absatz 729; siehe Kontext

SALOME: Plötzlich beginnt die Wunde, die die Liebe stillte, von neuem zu bluten.
Kapitel 6, Absatz 750; siehe Kontext

SALOME: Und das in Zeiten gesellschaftlicher Krisen und sinkenden Lebensstandards? Der männliche Samen fungiert doch als Metapher für das Geld. Wie mit dem Geld muß man auch mit dem Samen in Zeiten der Rezession sparsam umgehen.
Kapitel 7, Absatz 752; siehe Kontext

SALOME: Aber es gibt auch Kameradschaft zwischen Mann und Frau. Wenn ich den Mann sympathisch finde, schlage ich ihm freundlich auf die Schulter – ohne Hintergedanken.
Kapitel 7, Absatz 760; siehe Kontext

SALOME: Im Unbewußten eines Menschen muß es geheimnisvolle Affinitäten geben, die bewirken, daß zwei Personen sich wiedererkennen und Freunde werden. Ich habe Freundschaften auf den ersten Blick erlebt, die sich von der Liebe auf den ersten Blick kaum unterschieden.
Kapitel 7, Absatz 764; siehe Kontext

SALOME: Mir gefällt aber besonders der dialektische Charakter der Freundschaft und die wechselseitige Bereicherung. Zwei Freunde müssen sich nicht ähnlich sein, sonst könnte ich keine Freunde aus anderen Kulturkreisen haben.
Kapitel 7, Absatz 766; siehe Kontext

SALOME: Wir sprechen jetzt weniger über die Freundschaft im ursprünglichen Sinne des Wortes als über eine Erotik, die noch ihren Weg sucht. Das kennt man doch aus der Schulzeit. Das zärtliche Wort, die leidenschaftlichen Briefe, die man der Freundin schenkt, gelten eigentlich, wenn auch unbewußt, demjenigen, auf den man wartet und dessen Gesicht man noch nicht kennt.
Kapitel 7, Absatz 770; siehe Kontext

SALOME: "Frauen sind einander Kameraden in der Gefangenschaft", schreibt Simone de Beauvoir. "Sie helfen sich gegenseitig, ihr Gefängnis zu ertragen, bereiten sogar gemeinsam den Ausbruch vor: Der Befreier jedoch wird ein Mann sein." Ihrer Meinung nach sind Frauen keine Freundinnen, sondern Komplizinnen. Andere Zeiten, andere Sitten. Die Menschen, denen ich existentiell verbunden bin, sind sowohl Frauen als Männer.
Kapitel 7, Absatz 772; siehe Kontext

SALOME: Das habe ich nie mitgemacht, obwohl ich oft mit Freunden im gleichen Bett geschlafen habe. Die Verwirklichung einer Freundschaft zwischen Mann und Frau ist für mich nur möglich unter der Bedingung, daß beide sich der Notwendigkeit bewußt sind, das Sinnliche zu sublimieren, daß sie diese Sublimation aufrichtig wünschen und daß sie genügend Kraft haben, sie durchzuführen.
Kapitel 7, Absatz 776; siehe Kontext

SALOME: Ich vertrete mit der Treue keine asketischen Ideale. Die Renaissance von Ehe und Familie und die Rückkehr zur Keuschheit, die gerade propagiert werden, sind mir in ihrer Ideologie zuwider. Was mich an der freundschaftlichen Liebe reizt, ist der unklare zweideutige Raum, in dem sie sich bewegt und die Fähigkeit zur Vergeistigung, die sie erfordert.
Kapitel 7, Absatz 778; siehe Kontext

SALOME: Platonische Liebe ist kein Spiel, sie ist bloß eine Variante der Freundschaft oder der Liebe. Mehr noch: Die erotische Liebe selbst hat keine Aussicht, dauerhaft glücklich zu sein, wenn sie nicht danach strebt, zu wahrer Freundschaft zu werden. Die sinnliche Anziehung währt länger, wenn die Partner auch geistig verbunden sind.
Kapitel 7, Absatz 780; siehe Kontext

SALOME: Mit meinem Partner realisiere ich die Verschmelzung von Körperlichem und Geistigem. In der freundschaftlichen Liebe hingegen spiegelt der Freund nur einen oder wenige der mannigfaltigen Aspekte meiner Persönlichkeit, egal wie wesentlich die geheimen Affinitäten sein mögen. "Durch die Liebe und nur durch sie realisiert sich auf einer höchsten Stufe die Vereinigung von Wesen und Existenz", schreibt André Breton.
Kapitel 7, Absatz 782; siehe Kontext

SALOME: Dann muß ich mich allerdings fragen, was Liebe überhaupt ist, welche Rolle ich als Person spiele?
Kapitel 7, Absatz 784; siehe Kontext

SALOME: Die Liebe durch das Leid zu erkennen, ist das Geheimnis von Tristan und Isolde. Es genügt Tristan, von seiner Leidenschaft zu träumen. Seine Liebe gilt der Liebe an sich und nicht Isolde als Person. Ihre Abwesenheit ist der Antrieb der Sinnlichkeit, die Todessehnsucht...
Kapitel 7, Absatz 788; siehe Kontext

SALOME: Nach der Psychoanalyse ist das Begehren per definitionem dreieckig. Seine Intensität wird durch das Dritte bestimmt. Die Triangulierung allein gibt jedem die Möglichkeit, ein Feld einzunehmen, einen Raum zu schaffen. Das Dritte kann ein Rivale sein, ein Freund, sexuelle Enthaltsamkeit – als Raum für sich allein – oder die Arbeit. Allmählich ersetzt die Arbeitssucht den Männern die Maitresse.
Kapitel 7, Absatz 792; siehe Kontext

SALOME: Früher konnte die Beziehung zum Göttlichen einen Raum schaffen, der über die Zweierbeziehung hinausging. Heute sind es die Verflossenen, das Kind, die Idole und die Mannequins. Oder aber das Dritte fehlt. Viele Beziehungen versuchen sogar, es auszurotten. Das Gesetz würde hier lauten: "Du sollst keine Götter neben mir haben!" Mit dem Konzept von Harmonie und Treue versuchen solche Beziehungen sich abzuschotten. Für mich wäre das tödlich. Nicht nur die Liebe, das Begehren, auch die Möglichkeit des Sprechens, der Auseinandersetzung bedürfen eines Aspekts, der über die Zweisamkeit hinausführt.
Kapitel 7, Absatz 804; siehe Kontext

SALOME: Im Grunde schlafen immer vier Personen miteinander: zwei reale Liebende und zwei imaginäre, hervorgegangen aus Einbildungskraft und Begierde.
Kapitel 7, Absatz 807; siehe Kontext

SALOME: Das erinnert mich an die Briefe von Kafka an Felice und Milena. Fast in jedem Brief findet man Passagen, in denen er die Geliebte um den nächsten Brief anfleht, in dem Gefühl, ohne diesen nichts mehr in seinem Leben zustande zu bringen. Erst in dem Moment, in dem die Geliebte eine reale Beziehung verlangt, tritt der Rückzug ein. Die Liebe auf Distanz findet stets mit dem Einklagen eines gemeinsamen Lebens von einer Seite ihr Ende: im Rückzug des leidenschaftlichen Briefeschreibers oder im Überdruß des Adressaten.
Kapitel 7, Absatz 813; siehe Kontext

SALOME: Da finden wir natürlich die homosexuelle Komponente von Jules und Jim wieder.
Kapitel 7, Absatz 822; siehe Kontext

SALOME: In seinem Roman Ich will die Liebe der anderen leben stellt Jean Cayrol die bewegende Kraft einer unerwiderten Liebe dar. Solch eine Liebe kann auch helfen, die Last einer gewöhnlichen Existenz freudiger zu tragen.
Kapitel 7, Absatz 827; siehe Kontext

SALOME: Ich habe mich nicht in einen anderen verliebt, weil ich unglücklich verheiratet war. Im Gegenteil: Die Liebesbeziehung zu meinem Mann war von außergewöhnlich existentieller Tragweite. Wir waren sehr jung, als wir uns kennengelernt haben. Unzählige Hindernisse standen unserer Liebe im Weg: die Entfernung, die Familie, die Schule, und wir haben sie alle überwunden. Die ersten Jahre nach diesem Leidensweg waren eine Art von Gefühlsrausch, eine Ekstase. Das plötzliche Auftauchen einer neuen Liebe war eher ein Versuch, einer exzessiven Dyade zu entfliehen und einen Bereich für mich zu suchen, in den mein Partner nicht eindringen konnte.
Kapitel 7, Absatz 829; siehe Kontext

SALOME: Es war kein reifer Weg. Aber damals konnte und wollte ich nicht anders handeln. Bloß keine Kompromisse schließen! Es wäre für mich der höchste Verrat an unserer Beziehung gewesen.
Kapitel 7, Absatz 831; siehe Kontext

SALOME: Eine sehr bedeutende. Neben meinem Lebensgefährten ist er einer der Menschen, die ich am meisten geliebt habe. Diese Liebe war zwar sehr narzißtisch, eine Geschwisterliebe, eine Verdopplung. Sie war völlig losgelöst von der ersten Beziehung. Er wohnte in einer anderen Stadt, wir sahen uns ungefähr alle zwei Monate, und wir sprachen miteinander Deutsch, nicht Französisch. Er war der erste richtige Einstieg in dieses Land, in diese Sprache, die mir bis dahin fremd geblieben war. Durch die Genese der neuen Wörter habe ich vielleicht die Liebe und den Weg zu anderen Deutschen gefunden. Inzwischen ist mir die tiefe Kluft, die uns trennte, klargeworden. Wegen der Entfernung und der Unmöglichkeit, zu dritt zusammenzuleben, stand die Beziehung jenseits der Realität.
Kapitel 7, Absatz 833; siehe Kontext

SALOME: Die Geschichte ist ohne das gesellschaftliche Umfeld der 70er Jahre nicht nachvollziehbar. Sie wurde damals von unseren Freunden anerkannt, es wurde applaudiert, und man unterstützte uns. Trotzdem war es schwierig und schmerzhaft für uns drei.
Kapitel 7, Absatz 835; siehe Kontext

SALOME: Nicht ausbricht, sondern fremdgeht, und das ist etwas anderes. Trotz aller Nachteile finde ich die offene Beziehung ehrlicher und mutiger als das heimliche Fremdgehen. Mein Großvater verausgabte sich mit Maitressen, während seine Ehefrau zu Hause Selbstverzicht übte. Diese Doppelmoral ist doch einfallslos, fade und armselig.
Kapitel 7, Absatz 837; siehe Kontext

SALOME: Ich möchte sie auch nicht missen. Noch heute bin ich mit dem anderen Mann befreundet, unsere Liebe wurde vor langen Jahren platonisch.
Kapitel 7, Absatz 849; siehe Kontext

SALOME: Du vergißt die folie deux als Einverleibung, als ein Höllenspiel in einer gefährlichen Unwirklichkeit, als gegenseitiges Verzehren, sich auszehren. Vor allem symbiotische Beziehungen laufen Gefahr, in einen negativen Irrsinn abzugleiten. Ich möchte Euch eine kurze Passage von Unica Zürn vorlesen: "Norma empfindet ihre Einverleibung durch Flavius wie ein Entweichen ihres Knochenmarks, wie das Verströmen ihrer Adern und das Schwinden ihrer Sinne. Flavius löst zuerst das Weiche aus Norma: ihre Angst, ihre Zutraulichkeit, ihre Zärtlichkeit, ihre Schlafsucht, ihre Mütterlichkeit, ihre Kindlichkeit, ihre Spaßhaftigkeit, ihre Traurigkeit, ihr Lächeln, ihre Tränen und das Innere ihrer Arme. Alle diese schwarzen, süßen Schlucke schluckt er mit zunehmendem Durst herunter. In ihrem Haus gerät Norma in ihren einsamsten Zustand: sie wird von sich selbst verlassen und der Trinker bleibt unempfindlich gegen ihre Versuche, sich vor ihm zu bewahren." Hier drückt sich ein Aspekt heillos verzwickter Zweierbeziehungen aus, und in gewisser Weise besteht auch hier eine folie deux, beide Seiten sind an diesem grausamen Szenario beteiligt.
Kapitel 7, Absatz 858; siehe Kontext

SALOME: Trotzdem hat Tagebuchschreiben auch etwas mit Einsamkeit zu tun. Es kann eine wiederherstellende Funktion haben, darf aber einen Menschen nicht ersetzen, erst recht niemanden, mit dem man zusammenlebt.
Kapitel 8, Absatz 888; siehe Kontext

SALOME: Narzißmus hat etwas mit Einsamkeit zu tun. Das Schreiben bleibt ein Ersatz für die verstummte Sprache. Alles, was wir schreiben, ist abwesend.
Kapitel 8, Absatz 890; siehe Kontext

SALOME: Ich bestreite das nicht. Ein Tagebuch zu schreiben, ist sicher eine konstruktive Art, sich einen eigenen und geheimen Raum zu schaffen. Dennoch verhindert weder Liebe noch Freundschaft die Einsamkeit. Wir alle haben Schattenzonen, unaussprechliche Gedanken, Versuchungen, Entmutigungen, Haß und Ekelgefühle, Auflehnungen, eine Menge Verbote. Diesen müssen wir uns ohne Hilfe von außen stellen.
Kapitel 8, Absatz 892; siehe Kontext

SALOME: Dann ist es wie auch sonst im Leben: Die Geschäftsgrundlage fällt weg, der Kontrakt ist nichtig, und man trennt sich.
Kapitel 8, Absatz 895; siehe Kontext

SALOME: Vor allem die Erwartungen und Perspektiven des Lebens sind unvereinbar. Die jugendliche Schönheit wird zur Gefahr, weil sie die Grenzen der eigenen Existenz aufzeigt. Was Jungbrunnen war, wird zur vorzeitigen Alterung. Da gründet der Wunsch, die Vitalität in einem jüngeren Partner zu brechen.
Kapitel 8, Absatz 901; siehe Kontext

SALOME: Der Liebende umgibt sich mit der Kälte eines Marmorsteins und das lebendige Gespräch, von dem die Liebe lebte, erstarrt im eisigen Schweigen des stehenden Augenblicks, der zur Ewigkeit zu gerinnen droht.
Kapitel 8, Absatz 904; siehe Kontext

SALOME: Deswegen lege ich Wert auf Streit. Szenen können auch ein Schutz gegen das Eindringen des anderen und gegen die Fusion sein. Sie sind häufig ein Mittel, sich zu versichern, daß wir beide sehr verschieden sind und uns auf einer bestimmten Ebene hassen können. Der Zugang zu einem ambivalenten Verhältnis ist möglich, ohne die Liebe des anderen zu verlieren.
Kapitel 8, Absatz 911; siehe Kontext

SALOME: Ich kenne Frauen, die für ihren Mann Strapse anlegen. Wenn es von mir verlangt würde, dann würde bei mir die Krise wirklich ausbrechen. All diese künstlichen Mittel sind auf die schnelle Erregung des Mannes abgestellt. Das Künstliche muß raus aus den Schlafzimmern. Ich erlebe die unendliche Hast einzudringen als neurotisch. Warum kann man nicht den Vaginismus als Sinneslust verstehen, die sich verweigert und protestiert; die Impotenz als eine Männlichkeit, die nicht mehr ihre Rolle spielen will und die Prüfung ablehnt; im vorzeitigen Samenerguß den erotischen Apparat sehen, der sich über sich selbst lustig macht? Es wird zuviel therapiert.
Kapitel 8, Absatz 914; siehe Kontext

SALOME: Wenn die erotische Trockenzeit zur Abstinenz hochstilisiert wird, tritt der Sexus in die pubertäre Jungfräulichkeit zurück.
Kapitel 8, Absatz 916; siehe Kontext

SALOME: Halt, so schnell geht das nicht. Ich gebe zwar zu, daß für einige die Sexualität ein Hauptkriterium für das Gelingen der Beziehung ist, aber in Krisenphasen spielen immer mehrere Gründe eine Rolle. Wir sollten sie nicht nur in der Sexualität suchen. Da sind zum Beispiel die ganzen Unarten des anderen, die sich erst nach Jahren des Zusammenlebens zeigen.
Kapitel 8, Absatz 929; siehe Kontext

SALOME: Überwältigend ist sie schon, aber es muß nicht in jedem Fall zur Trennung führen.
Kapitel 8, Absatz 946; siehe Kontext

SALOME: Hinter diesen Warnungen steckt nicht nur ein weiser Ratschlag sondern auch Neid. Man soll nicht das leben, was den anderen selbst nicht gelungen ist. Als junges Mädchen habe ich oft zu hören bekommen, daß man die große Liebe nicht heiraten würde.
Kapitel 8, Absatz 948; siehe Kontext

SALOME: In der Trennung wird einer bestimmten Form der Liebe ein Ende gesetzt. Trennung impliziert eine Veränderung des Verhältnisses zum anderen, zum Umgang mit ihm, und zwar keine kleine, sanfte und kaum merkliche Veränderung innerhalb des Systems Ich-Du, sondern einen radikalen Bruch.
Kapitel 9, Absatz 987; siehe Kontext

SALOME: Oder sind Zeichen dafür, daß man mit etwas nicht fertiggeworden ist, keinen anderen Ausdruck findet für das Gefühl: Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr. Etwas darin bleibt unbegriffen, unabgeschlossen.
Kapitel 9, Absatz 997; siehe Kontext

SALOME: Das ist dir wohl zu unbequem?
Kapitel 9, Absatz 1005; siehe Kontext

SALOME: Du kannst den anderen dann wieder neu wahrnehmen, dein Bild von ihm korrigieren und dich in einen neuen Menschen verlieben, auch wenn es sich noch um dieselbe Person handelt.
Kapitel 9, Absatz 1022; siehe Kontext

SALOME: Ich kenne diese vorübergehenden Trennungen. Danach gab es einen Neuanfang, aber mit dem Wissen darüber, was wir an den anderen und am anderen, am Bild, das wir von ihm hatten, verloren haben. Trennung bedeutet eben auch Vernichtung einer bestimmten Auslegungsweise. Danach ist man bereit, neue Interpretationen des anderen und des gemeinsamen Lebens zu versuchen.
Kapitel 9, Absatz 1048; siehe Kontext

SALOME: In der Liebe ist der andere Zeuge meiner Geschichte und daher Verwahrer ihrer Spuren. Er ist nicht nur Spiegel, sondern Gedächtnis, und zwar nicht nur der Lebensstrecke, die wir zusammen gegangen sind, sondern auch Gedächtnis meines Ursprungs, das heißt des positiven und aufwertenden Selbstbildes, das ich in seinem Blick im Moment der Begegnung gefunden habe. Indem ich mich von dem anderen losreiße, reiße ich mich los von den Erinnerungen, von den Spuren meines Selbst, von einer Lebensstrecke, die mir viel bedeutete. Ein Teil von mir selbst stirbt. Aber die Liebe, selbst wenn sie sterblich ist, ist wahr. Sie ist so wirklich wie das Leben selbst.
Kapitel 9, Absatz 1053; siehe Kontext

SALOME: Die Menschen trennen sich, weil sie eine neue Idee des Verhältnisses zu sich selbst entwickeln, und da paßt die eigene Vergangenheit mit dem Geliebten nicht mehr hinein. Häutung. Der andere bleibt dabei auf der Strecke, vielleicht, weil man ihm Entwicklung auf ein neues Bild hin nicht zutraut. Die meisten arbeiten in ihren Beziehungen doch etwas am anderen ab, und wenn sie sich erkannt haben und es langweilig wird, dann trennen sie sich. Trennung könnte man beschreiben als eine Strecke von Selbstablösungsprozessen.
Kapitel 9, Absatz 1056; siehe Kontext

SALOME: Ich habe sogar meine Briefe zurückgefordert, ich bekam sie mit einer Schleife wieder. Bloß keine Briefe bei dem anderen lassen. Wenn meine Worte nicht mehr gültig sind, sollen sie zu mir zurückkehren, damit ich über sie verfügen, sie als Dokument meiner Vergangenheit aufheben oder verbrennen kann.
Kapitel 9, Absatz 1067; siehe Kontext

SALOME: Und doch nur Vergangenheit, die dem anderen sowenig wie mir selbst gehört.
Kapitel 9, Absatz 1069; siehe Kontext

SALOME: Das verstehe ich. Was ich nicht verstehen kann, ist der Bewahrungszwang, der schon mit der Trennung beginnt. Ich kenne das von einem früheren Geliebten, ein sehr nostalgischer Mensch, der stark in der Vergangenheit lebt. Er hat alles aufbewahrt und gepflegt, wie ein Heiligtum konserviert, und eigentlich war das Bewahrte doch nichts anderes als ein Relikt dessen, was wir zusammen erlebt haben. Menschen, die sehr stark in der Vergangenheit leben, kommen nicht weiter im Leben, sie entwickeln sich nicht. Sie bleiben an den frühen Bildern hängen, trennen sich nie.
Kapitel 9, Absatz 1075; siehe Kontext

SALOME: Die Idee der Entfremdung verklärt und romantisiert, ja heroisiert die Unfähigkeit zu lieben, die Angst, teilzunehmen und mitzuleiden. Sie entartet in Tourismus, eine Reise ohne Anker und Hafen, ohne Liebe, ohne Tiefe. Eine Reise auf der Oberfläche, platt, ohne Anfang und Ende.
Kapitel 9, Absatz 1093; siehe Kontext

SALOME: Wenn seine Liebesworte an mich bloße Beteuerungen geworden sind, er keine Zeit mehr für mich hat, bin ich eine Liebesimmobilie in seinem Besitzstand geworden: Küßchen morgens, Küßchen abends, ein bißchen Urlaub, ein bißchen Sex, ein paar Versprechen und dazwischen nur seine Abwesenheit.
Kapitel 9, Absatz 1096; siehe Kontext

SALOME: Man findet nie alles bei einem bestimmten anderen Menschen, was einem an Bildern in den Kopf kommt. Irgendwann muß man sich entscheiden zu dem vielen, was man vom anderen bekommt und gegen das Viele, das er nicht geben kann.
Kapitel 9, Absatz 1111; siehe Kontext

SALOME: Ich bin überzeugt von der Notwendigkeit der Worte, des Dritten in der Liebesbeziehung. Sonst bewegt sich nichts, die Zuschreibungen und Bedeutungen bleiben starr.
Kapitel 9, Absatz 1118; siehe Kontext

SALOME: Tod ist Vereinheitlichung. Der Tote ist meinem Bewußtsein einverleibt, er existiert nur noch in der Erinnerung. Der Geliebte bleibt immer der Widerständige, der andere. Im Tod heben sich die Grenzen zum anderen auf.
Kapitel 9, Absatz 1133; siehe Kontext

SALOME: Das Umgekehrte kann der Fall sein. Nach der Trennung spürst du, wieviel dir der andere noch immer bedeutet und wieviel du ihm zu sagen hast. Zärtlichkeit und Freundschaft sind mir eine Stütze, denn sie vermeiden den völligen Verlust. Die Leidenschaft geht darin ein, die Risse werden vergessen.
Kapitel 9, Absatz 1140; siehe Kontext

SALOME: Trotzdem verlernst du die Fähigkeit nicht, dich zu verlieben. Allenfalls werden Schutzwände aufgebaut, die das Gefühl der Verliebtheit abwehren.
Kapitel 10, Absatz 1151; siehe Kontext

SALOME: Der Sex, den du beschreibst, ist nicht animalisch, er ist unersättlich männlich, eine Art Schaum, eine Entladung der Gefäße.
Kapitel 10, Absatz 1163; siehe Kontext

SALOME: Das sehe ich anders. "Je mehr Schritte und Stufen es gibt", schreibt Montaigne, "desto größer sind aber die Höhe und die Ehre bei der letzten Stufe." Wenn die Liebe da ist, setzt sie den Körper in Brand.
Kapitel 10, Absatz 1166; siehe Kontext

SALOME: Ich bin überzeugt, daß der Verliebte ein neues Leben entwirft, entweder aus dem Nichts der Einsamkeit oder aus der Sackgasse einer erstickenden Beziehung heraus. Eluard hat die Liebe mit Hunger und Durst verglichen. Eines ist sicher: Die Liebe entsteht aus einem Mangel. Wenn ich mir selbst genüge, erfahre und gebe ich keine Liebe. Für mich ist die Liebe die einzig mögliche Strategie, um zu existieren. Ich liebe, also bin ich.
Kapitel 10, Absatz 1172; siehe Kontext

SALOME: Die Literatur führt zur Liebe; das Imaginäre ist im Augenblick der Verliebtheit entscheidend und der Geist ist der eigentliche Agent der Liebe.
Kapitel 10, Absatz 1178; siehe Kontext

SALOME: Es ist auf jeden Fall vergleichbar mit einer Reise in ein unbekanntes Land, zu dem unbekannte Kontinent des anderen Geschlechts, an der Grenze zwischen der Selbstliebe und der Liebe zum anderen. Verliebtsein ist Verwirrung, sie ist der Zusammenstoß meiner Ordnung mit einer Ordnung, die mich transzendiert und die ich nicht einschließe. Verliebtheit ist Revolution.
Kapitel 10, Absatz 1182; siehe Kontext

SALOME: Zumindest hat er mir die Welt geöffnet und Kraft und Lust gegeben, mich sozial zu engagieren. Die Zeit war natürlich eine andere: Vietnam-Krieg, Frauenbewegung, Revolte. In Kommunen und Wohngemeinschaften erprobten wir Alternativen zur Kleinfamilie. Kurz und gut: Wir wollten unsere kleine, persönliche Revolution in die Welt tragen.
Kapitel 10, Absatz 1184; siehe Kontext

SALOME: Verliebtheit als Entwurf kann auch innerhalb der gleichen Kultur eine Subversion sein. Die wahre Liebe stützt sich weder auf eine soziale Finalität, noch auf materielle Interessen. Sie erhält nicht einmal die Hoffnung aufrecht, von der Gesellschaft akzeptiert zu werden. Das ist auch der Grund, warum ich immer die homosexuelle Liebe bewundert habe, denn sie verläßt sich nur auf ihre innere Kraft.
Kapitel 10, Absatz 1186; siehe Kontext

SALOME: Damit bin ich nicht einverstanden. Mich interessiert nicht meine Faktizität, sondern die Herausforderung im Leben, der Kampf. Ich habe früher sehr in Osmose mit meiner Zeit gelebt. Vielleicht hatte ich auch andere Identifikationsfiguren: Olympe de Gouges, Rosa Luxemburg, Simone Weil. Für mich zählte nur eins: eine Revolution der universellen Liebe.
Kapitel 10, Absatz 1188; siehe Kontext

SALOME: Heute tötet niemand mehr aus Leidenschaft, sondern es ist die Langeweile, die tödlich wird.
Kapitel 10, Absatz 1197; siehe Kontext

SALOME: Ich glaube nicht, daß jemand in der Lage ist, dreimal im Jahr rauschhaft seinen Lebensentwurf neu zu formulieren. Ich würde sehr nachdenklich werden, wenn ein Mann mir so etwas sagte. Wer mit Gefühlen inflationär umgeht, kann sie am Ende nicht mehr unterscheiden von dem, was Arthur sagte: Lust, Erregung, Fleischkonsum. Dann gibt es keine Utopie der gemeinsamen Verwirklichungen mehr, sondern es geht nur noch um den Moment.
Kapitel 10, Absatz 1199; siehe Kontext

SALOME: Das will ich meinen! Es sind zwei sehr distinkte Kategorien. Mir imponiert der Wahnsinn in der Wahrnehmung des Verliebten, die Permanenz der Gedanken an den anderen, auch der zuweilen unerträgliche Hang zur Poesie. Und diese Fähigkeit zur Selbstaufgabe... Hector sprach in diesem Zusammenhang von seiner Fähigkeit, sich für eine Frau, in die er verliebt ist, völlig zu verausgaben. Die Wahnwelt der Verliebten ist Kultur. Als solche ist sie ein Sprengsatz, den der Verliebte in der Hand hält und mit dem er seine bisherige Welt auseinanderreißt.
Kapitel 10, Absatz 1201; siehe Kontext

SALOME: Das ist mir auch aufgefallen. Männer könnten noch mit Uraltbekannten ins Bett gehen. Das ist mir völlig unverständlich, obwohl es ein Irrtum wäre zu meinen, die Liebe könne man nur von einem blitzhaften Sich-Verlieben erwarten.
Kapitel 10, Absatz 1206; siehe Kontext

SALOME: Sexualität kann ein solches Hindernis sein, auch ein künstlich errichtetes, nämlich zum Beispiel das Verbot der Sexualität oder Teilgenehmigungen derselben wie: bis hierher und nicht weiter. In meiner Sexualität war ich mit meinem Anspruch, als Jungfrau zu heiraten, natürlich anachronistisch. Doch war mir meine Jungfräulichkeit ein Garant für Integrität und Autonomie, sie hatte mit Religiosität nichts zu tun. Außerdem hatte der Mann, der mich liebte, die Prüfung der Enthaltsamkeit zu bestehen.
Kapitel 10, Absatz 1209; siehe Kontext

SALOME: Trotzdem beinhaltet die Liebe immer auch den Willen zur Macht, denn sonst würden wir nicht ständig versuchen, den anderen entweder zu verändern oder gar zu vernichten. Denkt an Kleists Penthesilea. Sie bekämpft ihren Geliebten als Alter Ego bis in den Tod hinein. Der Wunsch zu herrschen fließt hier mit dem Wunsch zu lieben zusammen, und der Wunsch zu lieben wird mit dem Wunsch zu töten und zu zerstückeln gleichgesetzt. "Ich liebe dich, ich töte dich." Diese Liebe verbindet die Liebe nach Macht mit dem dunklen Gefühl der Unvollständigkeit, weil jeder seine Macht aus dem Sein des anderen schöpft.
Kapitel 10, Absatz 1212; siehe Kontext

SALOME: Auch ich habe mein Leben einmal neu erschaffen. Alles, was mir in der Vergangenheit an Leid zugefügt worden war, verbrannte ich mit den Tagebüchern meiner Jugend und löschte es aus meinem Gedächtnis. Es war, als ob ein Kind seine Mutter verließe, um einem Fremden zu folgen, der ihm die Hand gereicht hatte. Dieser Fremde gab mir die Liebe, die Zärtlichkeit, das Vertrauen und die Kindheit, die die Nonnen im Internat mir geraubt hatten, zurück. Ich wurde neu geboren.
Kapitel 10, Absatz 1218; siehe Kontext

SALOME: Gabriel vergleicht das Verliebtheitsgefühl mit elementaren Erlebnissen wie Angst oder Gewißheit angesichts von Krankheit und Tod. Den Geliebten allgegenwärtig zu fühlen und ihn in jedem Augenblick körperlich zu fühlen... Bedeutet das nicht, sich selbst in jeder Sekunde zu fühlen, das eigene neue Leben zu ahnen und divergierende Zukunften zu planen? Man denkt an den Geliebten und entwirft doch nur sich selbst in fortwährendem Schwung auf eine neue Existenz hin. Der Verliebte ist sich selbst Regisseur, Hauptdarsteller und beifallklatschendes Publikum.
Kapitel 10, Absatz 1226; siehe Kontext

SALOME: Das offenbart deine tendenziell onanistische Grundstruktur.
Kapitel 10, Absatz 1231; siehe Kontext

SALOME: In der Wahnphase der Verliebtheit ist es schwierig, in der eigenen Wahrnehmung deutlich zwischen sich selbst und dem Geliebten zu unterscheiden. Der Geliebte fungiert als Zwilling. Die Metapher wird zur Realität. Und schon sind wir bei der Liebeshysterie. Bei sehr engen Bindungen zwischen Menschen gibt es keinen Zwischenraum mehr. Die beiden Geliebten verschmelzen zu einem einzigen Menschen. Verliebte ähneln den Mystikern und sakralisieren die Sexualität. Die Rückkehr zur Einheit gelingt schon in der Verschmelzung des Kusses.
Kapitel 10, Absatz 1236; siehe Kontext

SALOME: Die Idee von der Aufhebung der Trennungen – hier die Trennung der Geschlechter in Frau und Mann – war bei mir auch sehr stark ideologisch geprägt. Im weiteren Sinne stand sie für die Vision einer klassenlosen Gesellschaft. Geschlecht wie Klasse galten als ein Konstrukt, beide gehörten abgeschafft. Wenn wir schließlich fast bei einer folie deux angelangten, so lag das auch an meiner Situation als Ausländerin in Deutschland. Solange ich die Sprache nicht beherrschte, hatte ich keine Beziehung zu anderen und war allein mit einem Mann, der mich mit seinen Besitzansprüchen und seiner Leidenschaft wahnsinnig machte.
Kapitel 10, Absatz 1239; siehe Kontext

SALOME: Wenn bei uns von Selbstmord gesprochen wurde, hatte ich entsetzliche Schuldgefühle. Die 'amour fou' hatte ich mir zwar seit der Kindheit gewünscht, doch plötzlich fühlte ich mich dieser Liebe nicht mehr gewachsen. Natürlich konnte ich sagen: "Ich habe ohne dich keine Lust weiterzuleben", aber ob ich zu einem Selbstmord fähig gewesen wäre, weiß ich nicht. Der Wahnsinn schien mir eine praktikablere Lösung zu sein. Nach sieben Jahren war der Tod ein ganz zentrales Thema in unseren Gesprächen, gehörten Sätze wie "Wenn du stirbst..." oder "Wenn ich sterbe..." fast zum Alltag. Wenn ich fünf Minuten zu spät aus der Uni kam, hatte er Schweißausbrüche und fiel fast in Ohnmacht.
Kapitel 10, Absatz 1242; siehe Kontext

SALOME: Im extremen Fall geht die Symbiose bis zur Vernichtung. Da wird Liebe totalitär.
Kapitel 10, Absatz 1245; siehe Kontext

SALOME: Die Liebe ist ähnlich wie das Glück kein definitiver Zustand. Sie ist eine Verflechtung von Empfindungen, Gedanken, leidenschaftlichen Augenblicken, eine gewollte Abhängigkeit, eine gegenseitige Anerkennung und die Sicherheit, daß sie noch das kostbarste und zerbrechlichste Gut ist und bleiben wird. Die Verliebtheit mit der alltäglichen Liebe zu verwechseln, wäre ein großer Irrtum, denn ein Liebesverhältnis unterscheidet sich sehr von der Träumerei der ersten Phase. Zu zweit leben heißt sich zu lieben wie man ist, sich zu achten, im Plural zu atmen, zu denken und zu planen. Ja, das ist für mich Liebe: Freiheit für mich zu beanspruchen, obwohl ich im Plural denke.
Kapitel 10, Absatz 1252; siehe Kontext