Home
Download
Zufallsgenerator
Textproben
|
Beiträge von CHARLOTTE
CHARLOTTE: Die Urszene ist der Moment, in dem sich
ihre Blicke zum erstenmal treffen. Vor der Liebe
steht die Begegnung.
CHARLOTTE: Frauen in hohen Schuhen, bei denen man
den Spann sieht, finde ich erotisch. Oder Männer,
bei denen man die Knöchel sieht, Männer ohne
Socken, in Slippern.
CHARLOTTE: Ich sehe mir immer die Hände zuerst an,
weil sie mich berühren werden. Hände sind wie das
Gesicht. An ihnen zeigt sich Charakter.
CHARLOTTE: Glücklich wirst du, wenn du jemanden
findest, der dem Bild deiner Phantasie entspricht.
Das ist das Wunder der Begegnung.
CHARLOTTE: Deswegen setzt du auf den Esprit. Zu
diesem Klischee passen keine üppigen Formen.
CHARLOTTE: Wahrscheinlich würden sich die meisten
Menschen trennen, wenn sie wüßten, aufgrund
welcher unbewußter Strukturen sie zusammen sind.
CHARLOTTE: Aufhören!
CHARLOTTE: Mich interessieren wenige Männer, im
besten Fall einer von hundert.
CHARLOTTE: Die Lieblingsdinge sind sehr wichtig:
die Lieblingsbücher, die Lieblingsfilme, die
Lieblingsschauspieler. Sie schaffen Vertrautheit.
Die Gemeinsamkeiten bestätigen, daß wir
füreinander geschaffen sind. Gemeinsamkeiten kann
man auch an gemeinsamen Problemen festmachen, an
gemeinsamen tragischen Erlebnissen wie einer
schwierigen Kindheit. Man findet einen
Gleichgesinnten, jemanden, dem das Schicksal
ähnlich übel mitgespielt hat.
CHARLOTTE: ...etwa durch ein intimes Verhältnis
zum Ex-Liebhaber der Schwester.
CHARLOTTE: Auf der anderen Seite ist es schädlich,
extrem wählerisch zu sein. Im äußersten Fall
konstruiert man eine Unerreichbarkeit, die jede
Beziehung von vornherein unmöglich macht. Dann
wird Eroberungsdenken ganz und gar entbehrlich.
CHARLOTTE: Ihre Kunst ist eine Verwandlungskunst.
Sie haben kein eigenes Ich, sondern sie sind
viele. Das macht sie interessant und unerreichbar.
CHARLOTTE: Darin besteht das Genie der koketten
Frau. Mal bietet sie ihren Körper an, behält aber
ihr Herz für sich. Ein anderes Mal verweigert sie
die Umarmung und gesteht dabei ihre Liebe.
CHARLOTTE: Deshalb wurde der Film 9 Wochen ein
Erfolg. Als Protagonist vereinigt ein Perverser
das Gute und Böse in sich wie eine Mutter, die die
Brust gibt und sie verweigert. Die Frau begehrt
ihn als Agent der Weiblichkeit. Sich von ihm
ernähren zu lassen, sich an ihm zu nähren, ist im
Grunde ein Verlangen nach der Liebe der Mutter.
CHARLOTTE: Verführung verzehrt mir das Fleisch,
sie ist Verlangen nach etwas, was mich zugleich
entzückt und vernichtet.
CHARLOTTE: Die Frau inszeniert sich selbst, ich
finde den Film großartig. Was die Verführung
auslöst, ist doch immer zunächst die Phantasie.
CHARLOTTE: Ein Mann ist, was er tut, eine Frau,
was sie aus sich macht. Wo bleibt die Schönheit
bei der Eroberung?
CHARLOTTE: Und Verführung geschieht über Blicke.
Der Blick ist das Begehren schlechthin. Er hat
eine magische Kraft.
CHARLOTTE: Tatsache aber ist, daß die Faszination,
die von der Schönheit ausgeht, eine erotische ist.
Schön zu sein, eine erotische Ausstrahlung zu
haben, sich aber gleichzeitig nicht hilflos den
begehrenden Blicken auszuliefern und zu
unterwerfen: Das ist das Dilemma der Frauen.
CHARLOTTE: Orientiert man sich an der vollkommenen
Schönheit in der Werbung, wird das Bemühen um die
eigene Schönheit schnell zu einem
Sysiphus-Unternehmen. Der leblosen Statik des
makellos Dargebotenen ist mit dem dynamischen
Leben nicht beizukommen.
CHARLOTTE: Am besten bin ich immer angekommen,
wenn ich mich zurückzog und mich statt mit
Minirock und tiefem Dekolleté schlicht in schwarz
kleidete.
CHARLOTTE: Es gibt viele Arten zu lieben. Ich
liebe meine Eltern, meine Schwester, meine
Freundin. Der Wunsch nach Sex scheidet die Lieben
voneinander.
CHARLOTTE: Das Begehren richtet sich doch auf die
Vereinigung, das Verschmelzen zu einer Einheit.
Sich körperlich zu lieben, stellt diese Einheit
her, real und auch symbolisch.
CHARLOTTE: Ich bin mit Arthur einverstanden. Genau
darin besteht die höchste Sexualität: die Lust des
Augenblicks. Du denkst nicht mehr daran, was davor
oder was danach ist.
CHARLOTTE: Das ist auch nicht mehr die Lust des
anderen, die man genießt, es geht nur um die
eigene Lust: Autoerotik.
CHARLOTTE: Sicher, aber es ist nicht nur ein
Phänomen der ersten Monate einer Beziehung. Es
kommt immer wieder vor.
CHARLOTTE: Du bist nie ein vollständiger Körper,
sondern immer nur eine einzelne Stelle, ein
einzelnes Teil. Oder anders: Der ganze Körper
besteht dann nur aus der einen Stelle, die erregt
wird. Mal bist du ein Ohr, mal ein Knie, mal eine
Brust, mal nur das Geschlecht. Die Einheit des
Körpers fällt auseinander, sie interessiert dich
nicht.
CHARLOTTE: Nicht nur darum. Manchmal möchte ich
nur dem anderen geben, was ihm Lust bereitet. Es
gibt ein Geben, eine Situation, in der du merkst,
der andere ist durch dich erregt, und du gibst ihm
Befriedigung, die mit eigener Lust nichts zu tun
hat, wohl aber mit – das klingt jetzt komisch –
Liebe. Darin erschöpft sich dann mein Verlangen.
Zu merken, wie ich den anderen um den Verstand
bringe. Du machst dem anderen Geschenke und willst
ihm Gutes tun. Dieses Geben gehört zum Süßesten
beim Sex.
CHARLOTTE: Lust potenziert sich auch gegenseitig.
Je erregter und leidenschaftlicher der andere
durch mich wird, desto leidenschaftlicher wird er
mit mir sein und ich mit ihm. Das treibt sich
immer weiter und höher.
CHARLOTTE: Dabei gibt es keine Grenzen. Sex ist
der Ort der unendlichen Mannigfaltigkeit. Es ist
alles möglich, und jeder kann seinen ganz eigenen
Sex finden. Der eine liebt den Sex mit den Händen,
der andere mit dem Mund. Nichts, aber auch gar
nichts kann man verallgemeinern. Sex ist
individuell, anarchisch.
CHARLOTTE: Dennoch führt eine längere Frustration
zu Verstimmungen. Dann läuft die Liebe falsch.
CHARLOTTE: Klar. Dennoch: Das Begehren und den Sex
von dem Ganzen der Person trennen zu können, ist
eher eine Fähigkeit des Mannes.
CHARLOTTE: Es gibt reale Unterschiede in der
Sexualität von Männern und Frauen. Natürlich sind
diese Unterschiede nicht mehr so einfach
auszumachen: der Mann kennt nur den Penis und den
Akt, die Frau nur das Vorspiel und so weiter.
Trotzdem...
CHARLOTTE: Ist das nicht ein Mythos, daß die Frau
immer die weiche, sanfte Sexualität sucht?
CHARLOTTE: Was Arthur meint, soll weibliche
Sexualität nicht unterdrücken. Diese Phantasien
können durchaus weiblich sein.
CHARLOTTE: Mir ist das alles zu allgemein. Wir
können nicht die 'eine' weibliche oder männliche
Sexualität formulieren. Sex ist individuell. Es
gibt Frauen, die den Mann am liebsten in sich
spüren, andere wollen nur gestreichelt werden.
Manche haben ein gebrochenes Verhältnis zu ihren
Brüsten oder lehnen sie sogar ab.
CHARLOTTE: Ich könnte mir keinen Sex mit einem
vorstellen, bei dem ich nicht das Gefühl hätte, es
könnte ein Kind entstehen.
CHARLOTTE: Es kann wunderbar sein, wenn du es den
ganzen Tag in dir spürst.
CHARLOTTE: Ich kenne auch den Gedanken der
Auslöschung, aber in der Form der
Selbstauslöschung. Deswegen hat mich der Film Der
Mann der Friseuse fasziniert. Ich habe mich mit
der weiblichen Hauptdarstellerin identifiziert.
Auf dem Höhepunkt der Liebe zu ihrem Mann begeht
sie Selbstmord.
CHARLOTTE: Ich könnte mir das so nicht vorstellen.
Mit einem Mann, den ich überhaupt nicht kenne.
Unmöglich!
CHARLOTTE: Das blitzartige Auftauchen eines
Fremden reicht nicht. Ich stelle mir vor, jemanden
kennenzulernen und mit ihm eine Freundschaft zu
schließen. Plötzlich verliebe ich mich in ihn,
aber dieses Gefühl wird niemals Realität. So wie
in Casablanca. Beide wissen, daß sie sich lieben
und dennoch niemals zusammenkommen werden. Die
Liebe wird bewahrt, weil der Alltag sie nicht
beschmutzt.
CHARLOTTE: Das darf man nicht miteinander
vergleichen. Phantasien sind mein ganz eigenes,
sie sind notwendig zur Entfaltung meiner
Persönlichkeit. Die Liebe zu meinem Partner steht
über ihnen. Sie besitzt einen unantastbaren Wert.
CHARLOTTE: Ja, die Wahlverwandschaften. Genau das
wollte ich am Anfang mit Casablanca sagen. Die,
die sich wirklich lieben, wissen, daß sie niemals
zusammenkommen werden. Trotzdem bewahren sie ihre
Liebe vielleicht in etwas anderem. Das ist ein
wunderbarer Gedanke. Allerdings kann ich jetzt
nicht sagen, was das andere für mich wäre.
CHARLOTTE: Solche Vorstellungen sind ganz schön
pervers. Aber eigentlich hat sie doch jeder in der
einen oder anderen Weise, oder?
CHARLOTTE: Ja, übereifrig sein, immer ein wenig
Gefühlsüberschuß haben, immer ein wenig verrückt
sein...
CHARLOTTE: Ich kann mir nicht vorstellen, daß du
im Ernstfall nicht eifersüchtig bist.
CHARLOTTE: Aber die Inszenierungen, die sind eben
nur inszeniert, sie haben nichts mit Eifersucht zu
tun.
CHARLOTTE: Ich finde diese Vorstellung sehr
reizvoll, da könnte man sich austoben, da könnte
die Inszenierung richtig anfangen.
CHARLOTTE: Vielleicht würde es dann einfach
richtig lebendig werden.
CHARLOTTE: Wenn du jung bist und dein erster
Geliebter älter als du, wenn er schon eine längere
Geschichte hinter sich hat, dann hast du Angst,
uninteressant zu sein, weil du keine Erfahrungen,
keine Geschichte vorweisen kannst. Und vielleicht
ist es diese Angst, aus der heraus sich deine
Eifersucht entzündet gegenüber jenen Frauen, die
in dieser Hinsicht mehr als du vorzuweisen haben.
Die Zeit wird diesen angeblichen 'Mangel' schon
beheben, aber das spielt in dem Moment keine
Rolle.
CHARLOTTE: Ich glaube, dann hätte ich keine Kraft
mehr, eifersüchtig zu sein, dann wäre ich einfach
nur verzweifelt.
CHARLOTTE: Ja, aber es bedarf dazu eines enormen
Kraftaufwands.
CHARLOTTE: Zum Teufel mit der Sublimierung! Auch
wenn die Angst auftaucht – Angst! Gewiß, ich
möchte schreien – und tue es dann auch; oder
schweigen im nächsten Moment, versinken in diesem
Schweigen, überhaupt versinken. Kein Boden hält da
mehr. Es geht durch alle Böden hindurch, eine
rasende Fahrt in die Tiefe, in die Auflösung. Ich
zersetze mich mitsamt diesem Gefühl, das sich
nicht abschütteln läßt. Ob Schrei, Angst,
Verstummen – ich will ihn dann halten, mit aller
Kraft, an ihm rütteln, ihn einsperren, für immer
für mich behalten. Das ist der unauflösbare
Widerspruch in der Liebe: ihn halten wollen und es
lassen müssen, um das Gewollte zu erreichen. Aber
diese unmenschliche Kraft, die es erfordert, um
dich zur Aufgabe deines direkten Wollens zu
zwingen! Dann läßt sie wieder nach, die Kraft:
Alles an dir ist zum Klammern verdammt. Du spürst
diese Verdammnis bis in deine sich festkrallenden
Finger. Das ist die Tat, auf die die Reue auf dem
Fuße folgt. Wiedergutmachungen sind unmöglich! Und
mit all dem soll ich aufhören? Nein! Ich liebe
ihn!
CHARLOTTE: Niemand kennt so gut die Stellen, auf
die du deine Hände legen mußt, wenn er
Kopfschmerzen hat. Niemand sonst weiß, daß du in
die Milchtüte immer hinten noch ein kleines Loch
schneiden mußt, weil er nicht leiden kann, wenn
die Milch beim Ausgießen überschwappt. Und du
weißt ganz genau, daß eine Frau bei ihm keine
Chance hat, die all diese Kleinigkeiten, die dir
bereits in Fleisch und Blut übergegangen sind,
nicht beachtet.
CHARLOTTE: In dem Vorwurf liegt trotzdem etwas
Demütigendes. Denn vielleicht arbeitet man ein
ganzes Leben daran, sich vom Vater oder der Mutter
wegzubewegen, um die Fehler der Eltern nicht zu
wiederholen. Aus dieser Anstrengung erwächst ja zu
einem großen Teil das eigene Selbstbewußtsein. Und
dann wird dir schlagartig vor Augen geführt, daß
du aus dem Zwangskorsett deiner eigenen Herkunft
gar nicht ausbrechen kannst. Ich finde, daß gerade
in dieser Hinsicht zwischen den Partnern eine
größtmögliche Sensibilität vorhanden sein sollte.
Denn schließlich möchte ich nicht, daß der andere
in mir das sieht, was ich selbst in keiner Weise
sein möchte.
CHARLOTTE: Ich könnte nicht ein Leben lang einen
Mann ertragen, der mit Socken ins Bett geht.
CHARLOTTE: Eine Aubergine schmeckt ganz anders,
wenn sie anders geschnitten ist.
CHARLOTTE: Unsinn! Was du gerade geschildert hast,
ist der Anfang vom Ende. Eine solche Sicherheit
schlägt doch ins Gegenteil um. Zu Beginn wird sie
ihm noch lächelnd raten, ein wenig abzunehmen. Da
er sich dazu vor lauter Sicherheitsgefühl aber gar
nicht aufschwingen wird, baut sie allmählich
Ekelgefühle gegenüber seiner äußeren Erscheinung
auf. Nach einem Jahr wird sie ihm die Hosennähte
auftrennen und die Naht erweitern, damit der Bauch
Platz findet. Ein weiteres Jahr später wird ihr
die Nadel wie zufällig ausrutschen, und dann
spätestens weiß er, daß er den Sicherheitsgurt
abschnallen muß. Jetzt beginnt das offene Gefecht,
und alle Harmonie ist wie weggefegt.
CHARLOTTE: Bitte nicht!
CHARLOTTE: Da hätte ich Verdauungsschwierigkeiten.
Das Klo muß ein lektürefreier Ort bleiben. Mich
widert diese Klostilisierung an. Manche hängen
sich sogar Kunstwerke auf.
CHARLOTTE: In meiner Familie war noch nicht einmal
das Klo ein privater Raum. Das Badezimmer wurde
stilisiert, es war der Raum, über dessen
Einrichtung am meisten nachgedacht wurde. Dort und
in der Küche hat man sich am häufigsten
aufgehalten. Wenn Feste waren, saßen alle im
Bad...
CHARLOTTE: Sie würde allenfalls aufgebrochen,
wollte man hier versuchen zu beschreiben, was sich
hinter dem Schleier verbirgt, den man um sich
herum zu ziehen gewählt hat, um so etwas wie eine
Intimsphäre zu errichten.
CHARLOTTE: Spiel hin, Spannung her. Darum geht es
hier nicht. Meine Nacktheit hat für mich eine
andere Qualität als für meinen Partner. Der Blick,
den ich auf meinen Körper richte, hat nichts mit
dem Blick des anderen zu tun. Es gibt Momente, in
denen ich mich ganz allein anschauen möchte, und
dann weiß ich, daß mich kein anderer je erreichen
könnte. Ich verschwinde, entziehe mich dem Zugriff
des anderen, werde für ihn zu Luft und für mich
selbst zu Erde...
CHARLOTTE: Solange sie nur mit dem Staubsauger
unterwegs ist...
CHARLOTTE: Natürlich ist es leichter, sich wegen
der Zahnpastatube zu streiten, als die Dinge beim
Namen zu nennen. Eigentlich weiß jeder, daß es
nicht wirklich um den falsch gekochten Reis geht,
sondern um versteckte Konflikte.
CHARLOTTE: Und wo bleibt die Libido?
CHARLOTTE: Ich denke, daß die Freundschaft
zwischen Mann und Frau sich unbestritten aller
Schwierigkeiten als überaus fruchtbar erweist.
Natürlich ist klar, daß einer solchen Freundschaft
das Erotische nicht gänzlich fremd ist. Manchmal
ist die Freundschaft besonders zärtlich, obwohl
das Sexuelle im eigentlichen Sinne daraus verbannt
ist. Anders wäre es keine Freundschaft mehr.
CHARLOTTE: Die Liebe muß nicht unbedingt auf
Gegenseitigkeit beruhen. Wichtig ist, daß man
selbst liebt, auch wenn der Gegenstand der Liebe
die Gefühle gar nicht erwidert. Es gibt doch im
Prinzip nichts Schöneres in der Liebe als das
Leiden; alles, was danach kommt, ist langweilig.
CHARLOTTE: Ich kann diesen Aspekt verstehen, doch
die ständige Präsenz eines Dritten kann auch eine
Bedrohung darstellen. Sicherlich gibt es viele
mögliche Ausprägungen, die es annehmen kann. Eine
der angsteinflößendsten scheint mir allerdings die
scheinbare Allgegenwart von Bildern von Frauen zu
sein, die als perfekter, schöner als du gelten.
Immer bist du mit der Unerreichbarkeit des Ideals
konfrontiert, das hat in keiner Weise eine
belebende Wirkung. Es kann zu einem unheimlichen
Spuk werden.
CHARLOTTE: Vielleicht halten sich Beziehungen mit
Phantasie-Dritten deshalb solange, weil einer die
permanente und entzaubernde Nähe verweigert und
nie ganz in das gemeinsame Leben eintritt. Die
Liebe auf Distanz bleibt als Raum für die Poesie,
auch wenn in diesem Raum oft große Einsamkeit und
Kälte herrschen.
CHARLOTTE: Das ist eine offensive
Überlebensstrategie.
CHARLOTTE: Es muß dieser Entwicklung doch etwas
vorausgegangen sein! Wie kommt es zu solchen
Abgründen? Diese Sprache, die nun aufkommt,
erschreckt mich. Ich will keinen Krieg!
CHARLOTTE: Auf diese Weise steuert die Beziehung
in eine fatale Doppelbödigkeit: krampfhafte
Versuche, die Ruhe zu bewahren, und im Untergrund
das heimliche Wühlen in der Schrift.
CHARLOTTE: Die Suche nach diesem Gesicht
beinhaltet die Sehnsucht nach der Schwäche, der
Verletzbarkeit, dem Gefühlsausdruck des Geliebten.
Ich glaube, daß nur ganz bestimmte Männer zu
diesem Stöbern in ihren Tagebüchern anregen.
Männer, denen man letztlich nicht abnehmen möchte,
daß sie mit beiden Beinen so fest verankert in
ihrem Selbstbewußtsein stehen.
CHARLOTTE: Vielleicht hat der Kampf schon längst
eine Eigendynamik erreicht. Ein Ablauf, der –
einmal in Gang gesetzt – bis zu einem bestimmten
Ende gespielt werden muß.
CHARLOTTE: Langsam erfaßt mich das Entsetzen. Hast
du noch mehr solcher Schauergeschichten auf Lager?
CHARLOTTE: Wer mir meinen Lieblingshund zum Essen
gegeben hat, der hat nun wirklich mein Vertrauen
für immer zerstört.
CHARLOTTE: Ist Trennung wirklich immer das Ende,
kann sie nicht zugleich auch Neubeginn sein,
sozusagen systemimmanente Umwertung?
CHARLOTTE: Die Phantasien eines anderen Lebens
ohne den Geliebten sind doch ständig präsent, aber
sie sind irgendwie schal, erfunden, nur reizvoll
in der Beziehung zu ihm...
CHARLOTTE: In gewisser Weise ja. Trennung bedeutet
schließlich auch die Freistellung des anderen von
den eigenen Erwartungen.
CHARLOTTE: Auch im Leben, oder? Ich kann nun das
voneinander nicht trennen. Was war zuerst,
Projektion oder übermächtiges Gefühl? Das ist doch
beides ursprünglich.
CHARLOTTE: Worum geht es dann in diesen
Trennungen, die keine endgültigen werden? Taucht
da nicht immer wieder ein Punkt zwischen den
Liebenden auf, der nicht kompatibel ist? Etwas
Grundsätzliches, als Mauer zwischen zwei Menschen.
Wenn diese erst einmal aufgebaut ist, ist die
Entscheidung zur Trennung die einzig mögliche
Antwort. Warum hält man sie nicht durch?
CHARLOTTE: Und wann gibt man sie zurück?
CHARLOTTE: Du ziehst die Rolle des Verlassenden
vor?
CHARLOTTE: Ich habe bei Trennungen immer etwas
zurückgelassen, nie etwas mitgenommen, weder die
gesammelten Briefe noch die Augenblicke im dunklen
Licht des Abends, weder die kleine Sammlung der
Liebeszeugnisse noch meine Erinnerungen. Das
Gefühl, das mich begleitet hat, war dieses: Alles
war vorbei. Die Zeit steht still.
CHARLOTTE: Wann trennt man sich überhaupt? Woher
weiß ich, daß es jetzt wirklich zu Ende ist?
CHARLOTTE: Und was spürt man im entscheidenden
Moment, was passiert da, damit ich weiß: Es ist
Zeit, mich von ihm zu trennen?
CHARLOTTE: Dein Verhalten setzt viel Autonomie
voraus und auch eine gehörige Portion an Ignoranz,
milder gesagt: die Fähigkeit zu vergessen. Vor
allem scheint es mir aber typisch zu sein für den,
der verläßt. Was passiert, wenn man der Verlassene
ist, derjenige, der eigentlich noch liebt, den die
Entscheidung des anderen plötzlich trifft und der
sie nicht akzeptieren will?
CHARLOTTE: Das klingt sehr aussichtslos. Als ob
keine Rettung möglich wäre.
CHARLOTTE: Die Vorstellung, daß sich dieses Gefühl
abnutzen könnte, ist beängstigend. Ich bin sicher,
daß ich mich auch in zwanzig Jahren noch rasend
verlieben kann.
CHARLOTTE: Bei mir jedenfalls nicht. Wenn ich mich
verliebe, spielen sexuelle Phantasien zunächst
keine Rolle. Ich denke an leidenschaftliche
Umarmungen und zärtliche Küsse. Ein nackter Körper
liegt außerhalb meines Vorstellungsvermögens.
CHARLOTTE: Das Imaginäre entsteht in uns. Wenn ich
verliebt bin, fühle ich mich wie vor einer Reise:
mit ist übel, ich bin überdreht, kann nicht
schlafen und bin zu allem bereit. Der Wille ist
da, aufs Ganze zu gehen, neue Terrains zu
erforschen.
CHARLOTTE: Nein, mit Paß. Ich verleugne doch nicht
meine Identität.
CHARLOTTE: Undenkbar! Wenn die Vertrautheit zu
innig ist, kann das Gefühl gar nicht entstehen.
Doch Männer sind da vielleicht anders.
CHARLOTTE: Die Liebe hat etwas Vampirhaftes. Sie
ist unersättlich.
CHARLOTTE: Ja, man versucht, seine eigene
Vergangenheit komplett auszulöschen, alles zu
vernichten, was noch mit dem Verflossenen zu tun
hat. Briefe und Fotos werden zerrissen; Aktionen,
die man später bereuen wird. Man verändert seinen
Typ, schneidet die Haare ab oder färbt sie, kauft
sich neue Kleider.
CHARLOTTE: Wie sehr man sich anbetet, bleibt den
Umstehenden nicht verborgen. Verliebte haben oft
einen unwiderstehlichen Charme, der die Sehnsucht
der anderen Menschen auf sich zieht. Nichts macht
attraktiver als die Ausstrahlung eines
verzehrenden Gefühls. Es ist eine tragische
Verschwendung amouröser Ressourcen, daß wir im
Zustand des Verliebtseins so wenig empfänglich für
all die Angebote sind, die an uns herangetragen
werden.
CHARLOTTE: Ich finde es viel schlimmer, wenn man
herausfindet, daß der Partner mit einer Frau
zusammen war, die so etwas wie ein Ideal ist. Dann
stellst du dir immer wieder die quälende Frage:
Bin ich auch so? Muß ich so werden?
CHARLOTTE: Die amouröse Konzeption von Cavalcanti
beschreibt genau diese Leidenschaft: Amor
manifestiert sich als Krankheit, dringt in den
Körper der Liebenden ein und tobt dort solange,
bis der Liebende stirbt.
|
|