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Beiträge von LUCIA
LUCIA: Man muß nur daran glauben, dann wird es
wahr.
LUCIA: Wenn man einen Typ hat, auf den man steht,
fällt das leicht.
LUCIA: Was habt ihr gegen Vorlieben? Wenn ein Mann
eine unweigerliche Ausstrahlung hat, vermute ich
hinter seinem Gesicht und seinen Händen bestimmte
Eigenschaften. Dieses Gefühl von Vertrautheit
geben mir nur wenige Männer. Faszinierend ist, wie
schnell es dann entsteht.
LUCIA: Die Schönheit schlägt eine tiefere Wunde
als ein Pfeil. Sie dringt durch das Auge ein,
unmittelbar, unreflektiert und zu schnell, um
gegen die Verzauberung zu schützen.
LUCIA: Amor spielt mit den Menschen, er entflammt
sie oder blendet sie. Die Liebe auf den ersten
Blick ist heute verpönt, und doch zeigt sie die
blinde Natur des Phänomens. Liebe macht blind.
LUCIA: Das passiert selten genug. Gerade die
Unerreichbarkeit des Geliebten stellt einen
mächtigen Reiz dar. Die fünfzehnjährige Schülerin,
die den gutaussehenden dreißigjährigen Lehrer
anhimmelt, scheint ein hoffnungsloser Fall zu
sein. Und doch kann sie ihn erobern. Voraussetzung
ist, daß sie daran glaubt.
LUCIA: Ich mußte lange um Jan kämpfen, um das
Gefühl zu bekommen, daß ich ihn verdiente. Für ein
blitzartiges Verlieben müssen sich beide in einem
Zustand der inneren Bereitschaft befinden. Das war
bei uns am Anfang leider nicht der Fall...
LUCIA: Der Eros von Platon, der Eros als Verlangen
nach dem Schönen, durch das er entzündet wird und
dem er nachjagt. Er ist die Erkenntniskraft, die
durch die emporreißende Erfahrung des Schönen den
Weg zu den Ideen öffnet.
LUCIA: Als ich jünger war, wünschte ich mir
manchmal jemanden, der meine literarische
Begeisterung geteilt hätte, und fragte mich, ob
Jan tatsächlich der richtige war. Schließlich
verstand ich, daß mich die Körper anziehen, nicht
die Sprache. Mit dem Gesicht und dem Körper
verbinde ich eine gewisse Art von Gemeinsamkeit,
von Sinnlichkeit. Das beschränkt sich natürlich
nicht auf die Sexualität.
LUCIA: Ich treffe schon ab und zu einen Mann, mit
dem ich eine Affäre haben könnte. Aber es war noch
keiner dabei, der mir im ersten Augenblick das
Gefühl gab, wir könnten eine gemeinsame Zukunft
haben. Das hatte ich nur bei Jan.
LUCIA: Jan hat recht. Mit sich selbst ist man
immer am besten bedient.
LUCIA: Für mich wäre das auch denkbar gewesen. Ich
liebte das Märchen von den zwei Königskindern, die
nicht zueinander kommen konnten. Ich sah sie
seltsamerweise immer als Geschwister. Kurz bevor
sie einander fanden, ertranken sie.
LUCIA: Und die junge Frau bestätigt sich ihre
Frühreife. Heute würde ich mir für eine Affäre
eher einen jüngeren Mann auswählen.
LUCIA: Eroberung ist keine Frage der Strategie,
sondern von Entscheidungen, die vor der
sogenannten Eroberung fallen. Entscheidungen, die
festlegen, in welchem Maß ein potentieller Partner
einem vorgegebenen Bild entsprechen muß. Je
undifferenzierter das Bild, desto größer wird die
Schar der möglichen Partner, desto größer ist die
Wahrscheinlichkeit, jemandem zu begegnen, der auf
das eigene Angebot eingeht.
LUCIA: Indem er die Frauen ihrer Werte und
Phantasmen beraubt, verfolgt er die Welt, die ihm
die kindliche Unschuld geraubt hat, mit seiner
unversöhnlichen Rache.
LUCIA: Es gibt Männer, die zunächst nur geliebt
werden wollen. Vielleicht gehören die Verführer
dazu. Ich habe unter Jans Zurückweisung sehr
gelitten. Er hat sich immer wieder meinen
Annäherungsversuchen entzogen, Liebesbeweise
eingefordert. Ich fühlte mich durch seinen
Widerstand in die Männerrolle hineingedrängt. Ich
mußte den Minnedienst leisten, um ihn zu erobern.
LUCIA: Ich fand Jan sehr schön, sehr weiblich.
Mich selbst fand ich nicht schön. Ich wollte so
werden wie er, wollte mich angleichen.
LUCIA: Das Zusammenspielen der Gegensätze in einer
Person! Ich habe umgekehrt in mir das Männliche
entwickelt, mich zu einem maskulinen Frauentyp
gemacht, bin dadurch schöner geworden.
LUCIA: Verführung hat in der Tat mehr mit Musik zu
tun als mit Sprache. Sie bewegt sich in einem Ort
der Sinneslust, vor dem Sündenfall.
LUCIA: Eine schöne Parodie. Sich mondän unnahbar
zu geben, weil das die sicherste Art ist, beachtet
zu werden, nicht aus dem Bewußtsein der anderen zu
fallen und auf das Selbst zurückgeworfen zu
werden, wo eingestandenermaßen nichts ist.
Bachmann hatte Schwierigkeiten, damit zu leben,
daß die Liebe der Ort der größten Einsamkeit, der
Ort des Exils ist.
LUCIA: Im gleichen Augenblick beraubst du die
Menschen ihrer Einzigartigkeit und Einmaligkeit.
LUCIA: Tragisch wird es für den, der sich mit
fremden Federn und imaginären Taten schmückt. Die
Frauen Doctores, die keine sind, oder die, die
sich über ihre mondänen Kontakte definieren.
LUCIA: Die Verpflichtung zu Charme und Schönheit
ist seit langem keine Pflicht der Frau allein. Die
Männer müssen sich heutzutage anstrengen.
LUCIA: Die eigene Schönheit: Wer wäre nicht oft
von sich und seiner Attraktivität überzeugt, und
wer hätte nicht im stillen immer wieder daran
gezweifelt.
LUCIA: Seit der postmodernen Rehabilitation der
Schönheit und des Sich-schön-Machens ist es zwar
nicht mehr verpönt, erotisch anziehend zu wirken,
trotzdem habe ich immer noch ein ambivalentes
Verhältnis dazu.
LUCIA: Zudem wird der Kampf mit zunehmendem Alter
mühsamer. Schlaffes Gewebe, stumpfer Haarglanz
oder überhaupt ausfallender Haarschmuck nehmen
dann den letzten Optimismus. Wer auf Schönheit
setzt, lebt gefährlich.
LUCIA: Die erotischen Selbstinszenierungen gelten
aber nicht nur dem Blick der anderen. Ich mache
mich für mich selbst schön. Ich mache mich
begehrenswert, will aber nicht unbedingt begehrt
werden. Meine seidenen Dessous gehören mir.
LUCIA: Schönheit fordert Bewunderung, vielleicht
sogar Anbetung, sie will also Macht. Macht,
verführerisch zu sein und zu verführen.
LUCIA: Trotzdem ist der Sex wichtig. Warum?
LUCIA: Männer halten Sexualität für die Grundlage
einer Beziehung und wollen den Rest darauf
aufbauen. Ich kenne das genau umgekehrt: Wenn die
Beziehung funktioniert, funktioniert auch der Sex.
LUCIA: Sex kann sich auch entwickeln, nach und
nach. Gerade darin kann der Reiz liegen.
LUCIA: Wenn du bei einem Spaziergang Arm in Arm
gehst, dich aneinanderschmiegst oder Hände hältst,
suchst du keinen Sex, sondern nur den Kontakt, die
Berührung. Das verursacht keine sexuelle Erregung.
LUCIA: Sagte der Phallus.
LUCIA: Ich kenne das zwar auch, aber das ist doch
auf bestimmte Zeiträume begrenzt, oder?
LUCIA: Was mich stört, ist die Fixierung darauf,
daß nur die körperliche Lust die wahre Lust sein
soll, in der sich die Ich-Grenzen auflösen.
LUCIA: Sich auf einzelnes zu kaprizieren am
anderen, ihn durch mein Begehren zu
fragmentarisieren, ist eine Wirkung des Sex. Das
hat etwas Barbarisches. Ich will als Ganzes
gesehen werden, nicht zerlegt werden. Ich bin
nicht das einzelne. Nur bezaubernde Haare oder ein
schöner Mund – das könnte auch jemand anders sein.
Das ist anonym. Die Liebe ist die Gegenbewegung
dazu, immer das Ganze und Runde der Person
wahrzunehmen.
LUCIA: Das ist vielleicht eher eine männliche
Phantasie und eine männliche Fähigkeit, sich ganz
und gar als Körper der Lust zu empfinden, ohne den
anderen als Person wahrzunehmen.
LUCIA: Auch beim Sex brauche ich manchmal die
Sprache. Dann will ich bestimmte Worte hören oder
selbst sagen. Oder einfach nur die vertraute
Stimme des anderen spüren. Worte können die Lust
steigern. Manchmal zärtliche Worte, manchmal auch
härtere Worte.
LUCIA: Man kann es auch umgekehrt sehen. Durch das
anwachsende Vertrauen, die sich auflösenden Ängste
und Vorbehalte wird eine immer größere
Zärtlichkeit möglich. Erst dann traust du dich zu
zeigen, was dir die größte Lust bereitet, führst
die Hand deines Partner an die besonderen Stellen,
sprichst darüber.
LUCIA: Das klingt nach guter alter Utopie: den
ganzen Körper zu sexualisieren, alles zur
Möglichkeit der Lust zu machen, ihn dem schnöden
Lebensgeschäft zu entziehen.
LUCIA: Richtig! Wir müssen weg von den
konventionellen und häufig primitiven Begegnungen
von Penis und Vagina. Die Popularität endloser
Masturbationen scheint mir etwas interessant Neues
zu sein. Achtundsechzig und die schöne 'sexuelle
Revolution' war doch ein lächerlicher Tanz um die
Genitalien.
LUCIA: Die Wirklichkeit ist meist komplizierter.
Da kollidieren die Wünsche. Wenn einer oralen Sex
liebt, der andere nicht, was dann? Aus der Sicht
desjenigen, für den das die größte Lust bedeutete,
wäre eine Beziehung, in der oraler Sex ausgespart
bliebe, immer wieder frustrierend.
LUCIA: Irgendwann erzählte mir eine Frau, daß sie
mit keinem Mann schlafen könnte, wenn es ihr nicht
vorstellbar wäre, von seinem Samen ein Kind zu
bekommen. Sie phantasierte, alle diese Männer in
sich zu bewahren. Das erste Kind, das sie bekam,
war für sie eine Mischung aller Männer, mit denen
sie geschlafen hatte. Von jedem war etwas dabei.
Die entscheidende Frage ist: Welchen Samen willst
du behalten und welcher ist dir widerlich?
LUCIA: Das ist nur die Illusion einer Reinigung,
eine symbolische Handlung. Es geht um die
Beseitigung des Gröbsten. Gegen das Feine, das
danach kommt, kannst du ohnehin nichts
unternehmen. Manchmal ist es schön, in anderen
Situationen jedoch wieder unangenehm: Du mußt raus
in die Welt, du stehst in der U–Bahn, und es
tropft...
LUCIA: Gleichwohl erregt es auch meine Phantasie.
Es schlägt dich wie ein Blitz aus heiterem Himmel,
wenn plötzlich ein schöner dunkler Mann vor dir
steht und du dir ausmalst, mit ihm ein Wochenende
im Hotel zu verbringen, 48 Stunden lang nur mit
ihm im Bett zu liegen, ohne ihn kennenlernen zu
wollen. Er ist der Unbekannte, und soll es auch
bleiben. Ich weiß nicht, woher er kommt, was er
macht, das zählt alles nicht. Es geht nur um das
Ausleben der sexuellen Leidenschaft. Mein Kopf ist
in diesem Moment vielleicht ganz dumpf, er ist
ausgeschaltet, nur das, was darunter ist,
vibriert, und mein Körper zerreißt vor Spannung.
LUCIA: In unserer Beziehung war das Thema Dessous
stets virulent. Ich fand das völlig albern. Eines
Morgens haben wir dann doch beschlossen, daß ich
mir welche kaufe. Ich ziehe sie also abends an, er
kommt zur Schlafzimmertür herein, sieht mich in
voller Montur und lacht schallend los. Schließlich
hatten wir beide einen Lachkrampf, und danach war
das Thema Dessous vom Tisch. Beim Fremdgehen
hingegen ist das noch Gegenstand der Phantasie
LUCIA: Wie ist das mit den Frauenphantasien? Wenn
Männer auf Dessous abfahren, worauf fahren Frauen
ab? Was sind die Äquivalente?
LUCIA: Für mich auch. Der nackte Körper mit
unterschiedlichen Attributen. Es gibt ja
verschiedene Arten von nackten Körpern.
LUCIA: Statt dessen gerinnt der Samen in der Frau.
LUCIA: Das könnte auch ein Dritter in einer
Dreiecksbeziehung sein. Es reicht auch, wenn du
dir in deiner Phantasie einen Mann vorstellst, der
all das, was du in deinem eigenen Partner nicht
findest, verkörpert. Er ist dann natürlich nur
deine Projektion, dein alter ego. Und doch hat er
in deiner eigentlichen Beziehung mit deinem Freund
eine manchmal unheimliche Realität. Er taucht in
deinen Träumen auf, geht mit dir durchs Haus,
steht plötzlich neben dir in der Küche und schaut
dir über die Schultern in den Kochtopf hinein.
Sagt aber nichts, schweigt und schaut dich nur an.
Schaut dich und den anderen an. Und seine Blicke
sind wie Reflektoren deiner eigenen gespaltenen
Seele. In seinen Augen erblickst du dich selbst.
Dann fängst du an, nach dem Gespenst in dir selbst
zu suchen. Du suchst in allen Winkeln deiner
Wohnung, deiner Aufzeichnungen und Tagebücher. Du
durchsuchst die Schubladen deiner Seele, gerätst
in Aufruhr und Panik, bist nicht mehr du selbst.
Aber plötzlich hörst du deinen Namen aus dem
Nebenzimmer rufen, und du weißt, daß du zu ihm
gehörst. Er ist dein Mann, er reißt das Gespenst
heraus.
LUCIA: Darauf würde ich mich jetzt nicht
festnageln lassen.
LUCIA: ... mit einem Begehren, das auf sich selbst
und auf den anderen gerichtet ist und so eine
große Spannung erzeugt, die mit einem inneren
Drang nach radikalen Entscheidungen verbunden ist.
Die Eifersucht stellt sich mir als ein
unaufhaltsames Aufwallen von Gefühlen dar.
LUCIA: Das eigene Bewußtsein, Eifersucht zu
empfinden oder nicht, scheint mir oft verzerrt. Es
könnte sein, daß viele, die behaupten, nicht
eifersüchtig zu sein, es letztlich doch sind.
LUCIA: Du Affe verkneifst es dir!
LUCIA: Worauf ist man denn eifersüchtig, wenn man
den Mann mit einer anderen Frau im Bett findet?
Man ist nicht eifersüchtig darauf, daß die Frau
möglicherweise mit dem eigenen Mann ein
dauerhaftes Verhältnis haben möchte. Ich glaube
nicht, daß man sich das in dem Moment überlegt.
Ich bin vielmehr eifersüchtig auf die Lust, die da
genossen wird und an der ich nicht teilhabe.
LUCIA: Mir scheint, daß es unterschiedliche Gründe
für die Eifersucht gibt, innere und äußere. Einer
ist gewiß die Eifersucht auf die Geschichte des
anderen. Warum ist man eifersüchtig auf eine
Verflossene, die man nicht einmal gekannt hat, und
auf andere nicht? Die, auf die man nicht
eifersüchtig ist, die laufen als: "Das war einmal,
die war soundso, und dann war's vorbei."
Eifersüchtig ist man auf Frauen, die nie ganz
verabschiedet wurden, wo immer etwas Unbegriffenes
in der Beziehung stehengeblieben ist.
LUCIA: Bei manchen schon. Vor allem bei Menschen,
die zum erstenmal lieben und die mit jemandem
zusammen sind, der es schon zum zwanzigsten Mal
erlebt.
LUCIA: Die Urzeichen setzt man nun einmal. Wenn
man sie nicht in Symbolen setzt, sondern am Anfang
in der Person festlegt, will man die einzige für
den einzigen sein, dann darf es keine Welt geben
in dem Moment und auch keine Vergangenheit.
LUCIA: Ich bin das mittlerweile auch.
LUCIA: Ich will die retrospektive Eifersucht nicht
verteidigen, nur verständlich machen. Es ging hier
soeben um das Urzeichen und den Umgang damit. Wenn
du ganz jung bist, hast du solche
Ursprungsvorstellungen. Ich hatte sie jedenfalls.
LUCIA: Genau! Ich fand es immer unmöglich, daß wir
nicht die Orte gemieden haben, wo er schon mit den
anderen Frauen gewesen war. Man fuhr schon zum
dritten Mal in jenen Skiort, wir lagen gerade im
Bett, und auf einmal sagte er: "Ach ja, richtig,
hier war das ja mit der Betty!"
LUCIA: Das ist eben die autonomere Beziehung.
LUCIA: Mir scheint, daß es sich lohnt, noch einmal
all den kleinen Ausformungen dieser Wahnwelt der
Eifersüchtigen zu folgen. Wir haben oben von dem
körperlichen Zittern gesprochen, mir fallen die
Ohnmachtsgefühle ein, der Schwindel, der Versuch,
sich zu verstellen, die Unabhängige zu spielen,
die Gleichgültige. Leider ist man ja in solchen
Fällen so betont gleichgültig und unabhängig, daß
es den Partner sofort stutzig macht.
LUCIA: Wie ich mich danach sehne, daß er mal in
dieser Weise auf mich warten würde! Statt dessen
höre ich, kaum daß ich den Kopf durch die
Wohnungstür gesteckt habe, sein regelmäßiges,
wonnevolles, behagliches Atmen. Dann ist es an
mir, mich in Phantasien hineinzusteigern: Wie
ruhig er schläft – ohne dich! Welch schöne Träume
er wohl hat! Verflucht schöne Träume! Ich hasse
die Schönheit dieser Träume und diesen ruhigen
Schlaf! Ich hasse das Wonnevolle und Behagliche
dieses Atmens! Ich will erwartet werden, mit aller
Ungeduld! Meine Abwesenheit soll mit der absoluten
Erwartung verknüpft sein!... Doch nichts von
alledem. Ich lege mich daneben, schließlich
schlafe ich auch ein. Am nächsten Morgen versuche
ich, ein paar Worte über meine abendliche
Verabredung fallen zu lassen. Er antwortet
überrascht: "Ach stimmt ja, du warst gestern
verabredet. Möchtest du auch einen Kaffee? Ich
gehe mal einen kochen." Das ist wohl auch eine Art
'Therapie'...
LUCIA: Manchmal möchte ich aber auch die Lektion
des Zusammen-Daseins lernen.
LUCIA: Es gibt leise und unscheinbare Strategien,
dieses Machtspiel auszutragen.
LUCIA: Das ist wohl der Punkt des Eintritts in die
Realität der Liebesbeziehung. Was am Anfang
geschieht, ist der Ausnahmezustand, die
Entrückung, der Wahn. Nach einigen Monaten des
Abtastens schält sich dann der wahre Charakter und
der wahre Körper des anderen heraus. Du lernst ihn
allmählich kennen mit all den Eigenschaften, die
er aus seinem früheren Leben in der Familie, im
Beruf oder in Liebesbeziehungen mitbringt. Die
ganzen Schrullen und Idiosynkrasien. Wenn du all
das an ihm bemerkst, mußt du dich tatsächlich
fragen, ob du es aushalten kannst.
LUCIA: Das ist wahr. Es ist fürchterlich, wenn ich
zu hören bekomme: "Du kochst wie deine Mutter,
alles machst du wie deine Mutter." Im ersten
Moment merkt man die Verletzung daran vielleicht
nicht, ich sage es ja selbst manchmal.
LUCIA: Dann wird es nicht mehr so harmonisch bei
euch zugehen. Allerdings muß Harmonie durchbrochen
werden, um den Funken der Leidenschaft neu zu
entzünden.
LUCIA: Das Schlimmste sind manche Körpergeräusche.
Ich kann es nicht ertragen, wenn der andere laut
schluckt. Ich bilde mir ein, daß er nicht richtig
kaut.
LUCIA: Ich weiß auch nicht, ob ein harmonischer
Alltag unbedingt wünschenswert ist. Ich wahre
lieber ein bißchen Ungewißheit. Das sanfte
Dahinplätschern muß ab und zu durch den großen
Knall aufgewühlt werden.
LUCIA: Sich im Badezimmer nackt zu sehen, ein und
aus zu gehen, wenn der andere sich gerade darin
aufhält, das war für mich immer eine
Selbstverständlichkeit. Meine Intimsphäre wird
nicht mit der Badezimmertür aufgebrochen.
LUCIA: Das sind die Augenblicke, in denen ich
unteilbar bin: Ich teile nicht mit ihm Tisch,
nicht Bett, ich teile ihm nichts mit, ich verteile
nichts, sondern ich stehe vor mir in meiner ganzen
Kreatürlichkeit, führe die Handinnenseiten an
meinem Körper entlang und fühle, daß ich es bin;
weit weg von dem, was ich bin, wenn ich die Tür
wieder öffne, was ich für ihn bin. Es ist das
staunende Schweigen beim Anblick des eigenen
Gesichtes, der mir sagt: Du bist es wirklich, in
allen Fältelungen deiner Haut, gänzlich unabhängig
von der draußen auf dich wartenden Realität.
Bisweilen zögere ich einen Moment noch, die
Badezimmertür wieder aufzuschließen.
LUCIA: Wenn du mich wegen meines Staubsaugerwahns
anmachst, verschaffst du dir Luft wegen anderer
Probleme. Du weißt natürlich, wie ich darauf
reagiere, das läuft ja alles vollautomatisch ab.
Ich motze zurück, frage mich aber gleichzeitig
selbstzweifelnd, warum ich diese zehn Minuten
meines kurzen Lebens tatsächlich wieder mit diesem
stumpfsinnigen Saugen verbracht habe. Ich befinde
mich, ohne daß ich es wollte, plötzlich in einem
doppelten Konflikt: Einmal mit dem Mann, der mein
Tun aus von mir unabhängigen Gründen in Frage
stellt, dann aber auch mit mir selbst, da ich mich
durch den Streit selbst ertappt fühle. Denn es
könnte sein, daß ich mit dem Saugen meine Zeit
sinnlos verschwende und mehr noch: Daß ich einen
krankhaften Sauberkeitsfimmel habe. In solchen
banalen Alltagssituationen steht die Beziehung
urplötzlich auf dem Spiel. Ich habe das Gefühl, im
nächsten Moment zu explodieren und damit alles
aufzulösen.
LUCIA: Die Frau ist aufgrund ihrer Biologie von
dem Zwang der Akkumulation befreit. Worauf warten
wir noch?
LUCIA: Die Freundschaft erfordert im Gegensatz zur
Liebe, daß die Freunde ein umgreifendes
Gemeinsames haben, ein gemeinsames politisches
Ziel oder Ideal, eine Bewunderung für die gleichen
Schriftsteller oder die gleichen Filmemacher.
LUCIA: Eine geringe Rolle, denke ich.
LUCIA: Auch ohne reales Motiv ist es anscheinend
üblich, daß sich zwischen zweien immer wieder der
Reiz eines dritten Moments einschleicht, das die
herkömmliche Beziehung irritiert. Ein Kind kann
eine solche Funktion haben, auch Literatur oder
Filme. Verhindert wird die Erfüllung alter
Prägungen, weil sie sich abgenutzt haben. Der
Unterschied ist nur, daß die Prägungen über ihre
fingierten Ohnmachten oder angelesenen Vorbilder
selbst die Herrschaft haben, während man dies über
die Präsenz eines Kindes nicht hat.
LUCIA: Vielleicht treffen sich diese beiden Seiten
– die geistige und die körperliche – gerade in
diesen Phantasien: in der ersehnten Fusion von
Körper und Geist. Wir sprechen immer von den zwei
Seiten, doch ist gerade dieses Ineinsfallen der
Kern unserer Sehnsucht und zugleich nur in der
Phantasie angesiedelt.
LUCIA: In unserer augenblicklichen Situation wäre
eine Nebenbeziehung völlig undenkbar. Ihr hattet
Zeit, euch auseinanderzusetzen, ihr wart
Studenten. Ich brauche Jan heute als Halt, aber
ich sehe ein, daß in der gegenseitigen Präsenz
etwas verlorengeht, was man künstlich wieder
erzeugen muß.
LUCIA: Als ich zu zweifeln begann, ob ich eine
ausschließliche Liebe zu Jan wollte oder ob es
andere Menschen für mich geben könnte, fand ich
zunächst keine Antwort. Trotzdem mußte ich es
herausfinden.
LUCIA: Endlich sind wir bei der folie angelangt.
Der Versuch, den Irrsinn der Liebe so lange als
nur irgend möglich auszuleben! Das schönste mir
bekannte Beispiel dafür ist die Geschichte eines
verliebten Pärchens, das sich über Monate unter
der Vorspiegelung, Mitglied einer reichen
aristokratischen Familie zu sein, ein Leben in
Saus und Braus bereitet hat. Der bekannte Namen,
der mit Adel und Reichtum assoziiert wurde,
genügte, eine Villa über Monate ohne Mietzahlung
zu nehmen, sich einen Rolls Royce vor die Tür
stellen zu lassen, die Wohnung mit Perserteppichen
auszulegen und sich die köstlichsten Abendessen
ins Haus bringen zu lassen. Erst nach Monaten ist
der Betrug aufgedeckt worden. Sicherlich wußten
sie, daß es auf Dauer auffliegen würde, aber sie
haben sich darum nicht geschert. Sie haben für
kurze Zeit ihre Liebe in einem herrlichen Irrsinn
gestaltet. Wäre ich Richter gewesen, hätte ich sie
freigesprochen!
LUCIA: Wen meinst du jetzt?
LUCIA: Wir müssen ja nicht gleich so weit gehen,
es gibt in den noch harmlosen Auseinandersetzungen
genügend Beispiele für das Ringen um Souveränität
und Macht. Eines der effektivsten Mittel, diese zu
erringen, ist die Gleichgültigkeit. Mit ihr kann
mein Partner mich in die Raserei treiben, vor ihr
beginne ich zu toben, um ihr gleich darauf zu
erliegen. Sie ist die Gummiwand, die die Zelle
meiner Wut umgibt und aus der ich nicht mehr
herauskomme. Ich schlage dagegen, sie nimmt den
Schlag weich auf, um sofort wieder in ihrer alten,
durch nichts zu erschütternden Erscheinung
dazustehen. Mit der Gleichgültigkeit kann mein
Partner eine Form der Macht über mich erlangen,
der ich nicht gewachsen bin.
LUCIA: Warum aber hast du dich nicht getrennt?
LUCIA: Man kann nach Worten ebenso süchtig sein
wie nach Menschen. Ich finde es legitim, sich
zurückzuziehen, um die Worte zu finden, und sich
von dem Partner abzugrenzen.
LUCIA: Genau!
LUCIA: Der Anbruch der Krise vollzieht sich in
mehreren Schritten. Zunächst stellt sich ein
dumpfes, noch sehr unausdrückliches Gefühl der
Entfremdung vom anderen ein. Man kann es sehr
bequem übergehen, indem man so tut, als läge es an
der momentanen Unzufriedenheit mit dem eigenen
Leben. Nach einiger Zeit aber meldet sich dieses
Gefühl schon deutlicher. Die ersten unbegründeten
Aggressionen schlagen auf den anderen nieder, und
dieser verlangt dafür von dir eine Erklärung. Auch
jetzt bist du noch bereit, die Krise zu verhüllen,
indem du dir Ausreden einfallen läßt. In der
dritten Phase kommt es dann zum offenen Ausbruch
deiner Unzufriedenheit. Die ersten manifesten
Probleme kommen auf den Tisch.
LUCIA: Diese Variante gibt es sicherlich auch,
aber ich wollte eben deutlicher auf die Gründe zu
sprechen kommen, die die plötzlichen Risse
bewirken. Ich denke da an den Bereich der
Sexualität. Die meisten Frauen und Männer haben
wahrscheinlich Zeiten erlebt, in denen der Sex
häufig, intensiv und außergewöhnlich war, und
haben sich gewünscht, daß das immer so bliebe.
Diese außergewöhnlichen Erlebnisse wurden dann zum
Maßstab für die alltägliche Sexualität in der
Beziehung.
LUCIA: Das stimmt. Die Verbitterung hat zumindest
sehr lange angehalten. Ich hatte das Gefühl, daß
Jan mit seinen früheren Frauengeschichten die
Möglichkeit verbaut hatte, eine Liebesromanze zu
leben, die in jeder Hinsicht jungfräulich war.
Immer wieder quälte mich der Gedanke, daß er das,
was ich gerade hörte und fühlte, schon bei einer
anderen Frau gesagt und getan hatte. Er hatte
schon oft 'Ich liebe Dich' gehört, ich hingegen
noch nicht. Es war dennoch gleichzeitig
faszinierend, daß wir das romantische Ideal
beidseitiger Jungfräulichkeit nicht inszenieren
konnten, weil die Beziehung daran letztlich
zerbrochen wären.
LUCIA: Weil sich zwei jungfräuliche Menschen
zwangsläufig trennen, denn die erste
Liebeserfahrung ist zu überwältigend, als daß sie
von beiden in dieser Intensität auf Dauer gelebt
werden könnte.
LUCIA: Die Warnung der Eltern hat allerdings
manchmal präventiven Charakter. Das stellt sich
erst dann heraus, wenn man mit dem Mann ein paar
Jahre zusammengelebt hat und er seine ganzen
Macken und Fehler zeigt. Dann denkt man sich:
"Hätte ich doch nicht den Erstbesten genommen."
Jetzt hänge ich in dieser ganzen Kiste drin und
kann mir kaum ausmalen, wie es mit einem anderen
wäre.
LUCIA: Da sollte man sich doch eher über
zahlreiche Beziehungen in die Pragmatik der Liebe
einarbeiten, um über das im Bilde zu sein, was
einen erwartet bei der Einwilligung in die Ehe.
LUCIA: Das ist natürlich auch eine
Temperamentsfrage. Ich kann mir durchaus Menschen
vorstellen, die nicht darauf eingehen würden.
LUCIA: Wenn du so denkst, findet das ganze
natürlich schnell ein Ende. Ich glaube aber, daß
Rebecca uns von den Formen des Kampfes erzählen
will, die darauf angelegt sind, eine ganze Weile
geführt zu werden, um den Schmerz zu erhöhen.
Sozusagen die fiesere, aber auch gefühlsbeladenere
Variante.
LUCIA: Ja, diese Erklärung erscheint mir sehr
plausibel. Vielleicht ist der Motor dieses Kampfes
tatsächlich der Wille zur Abtötung der Gefühle und
damit zu einer Beendigung der Schmerzen, die man
möglicherweise durch den anderen erfahren hat.
LUCIA: Das kann natürlich den anderen um so mehr
reizen und anspornen. Denn ein Mensch, der so
kämpft wie von dir gerade beschrieben, der läßt
sich bestimmt nicht so leicht abwimmeln. Das
Entscheidende für die Fortführung eines solchen
Kampfes besteht darin, genau die Reaktionsweisen
des Partners zu kennen und ihn immer an den
Stellen zu packen, die garantiert eine Reaktion
zeigen. Das schwierige für den anderen wäre dann,
entgegen seinen sonstigen Verhaltensweisen zu
reagieren, um endlich zum Schluß zu lassen. Das
verlangt aber ein Höchstmaß an Bewußtsein von dem,
was da gerade geschieht, und eben dieses ist in
solchen Zeiten sehr schlecht zu erlangen.
LUCIA: Ich weiß nicht, ich weiß nicht... Ich kann
mich nicht dazu durchringen.
LUCIA: Für den Übergang vom Streit zur Trennung
gibt es in unserer Liebe ein typisches, fast
standardisiertes Bild: Es gibt den Koffer auf dem
Schrank, ich ziehe ihn mit Karacho aufs Bett
und...
LUCIA: Ja, schon, aber ich kann nicht für das
Ausbleiben von Wiederholungen garantieren.
LUCIA: Vielleicht. Ich werde mit dem anderen nie
fertig werden, weil ich es gar nicht will. Und
deshalb scheue ich auch nicht zurück vor dem
Klischee des inszenierten Kofferpackens. Es ist
doch unwesentlich, was das bedeuten soll oder
bedeuten könnte, wo und wann die Reise mit meinem
Koffer endet. Das Packen wird im übrigen immer
schwieriger, je länger man ein geschlossenes,
gemeinsames Leben hat. Immer mehr Zeug, immer mehr
Verflechtungen und immer schwieriger die Antwort
auf die Frage: Was brauche ich denn alles?
LUCIA: Aber irgendwann komme ich eventuell doch
nicht wieder, obwohl ich bisher immer
zurückgekehrt bin. Warum warst du dir dessen so
sicher?
LUCIA: Was ist daran unglaubwürdig? Nur, weil du
den Ausgang schon kennst. Du glaubst nur, ihn zu
kennen. Eines Tages könnte es auch anders kommen.
Mein Verhalten ist im Augenblick der Entscheidung
ganz ernst gemeint: Jetzt packe ich, jetzt
reicht's, ich habe die Schnauze voll.
LUCIA: Wieso dein Bett? Einmal hatte ich wirklich
drei Taschen dabei, das war zu einer Zeit, als ich
auch Bücher brauchte. Ich hatte schwer zu
schleppen, bin durchs Dorf gelaufen mit dem
Gedanken: Warum muß ich mir's eigentlich so schwer
machen, soll er doch gehen! Ich hatte das Bild von
mir als streunender Katze langsam leid.
LUCIA: Genau. Solche Ausbrüche sind nur Signale,
keine wirkliche Trennung. Ich kann mich nicht wie
er in der gemeinsamen Wohnung isolieren, muß mich
äußerlich auf Distanz begeben, um mich mit dem
Gedanken vertraut zu machen, daß ich mich auch
innerlich lossagen muß. Ich muß in der
Inszenierung erst die Situation schaffen, in der
ich wieder alleine bin und fähig zur Trennung. Im
gemeinsamen Leben gibt es für mich keinen Raum,
mich abzugrenzen, mich zu bewahren. Nicht, weil
die Wohnung zu klein oder ich dazu unfähig wäre,
sondern weil ich es prinzipiell nicht will.
LUCIA: Doch, natürlich. Insofern hat Jan recht.
Ich inszeniere, und im Theater wird nie das
wirkliche Leben gespielt. Ich stehe dann mit
meinem Koffer an der nächsten Straßenecke, heule,
bin unendlich einsam und weiß nicht mehr, weswegen
wir uns gestritten haben. Ich will sofort zurück,
nach fünf Minuten schon, weil ich das Leben ohne
den bestimmten anderen – meinen Mann – doof finde,
und weil ich keine schöne Vorstellung von einem
Leben ohne ihn entwickeln kann.
LUCIA: ...und müssen deshalb Phantasien bleiben.
Das hat viel mit Sehnsucht zu tun. Wir Menschen
sind nun einmal Sehnsuchtstiere, und um den
anderen immer wieder zum Fluchtpunkt meines
Sehnens machen zu können, muß ich ab und an gehen.
LUCIA: Vielleicht, aber das wäre eine ziemlich
kontingente Wendung der Dinge. Die grundsätzliche
Wechselbeziehung zwischen Liebe und Trennung wäre
in diesem Fall nicht erkannt, sondern nur
verschoben in eine neue Liebesbeziehung.
LUCIA: Im Grunde geht es bei diesen Kofferaktionen
ja gar nicht ums Gehen. Das echte Gehen ist doch
eine große Illusion. Ich bin gegen die
Verschiebungen der Sehnsucht von einem Menschen
auf den nächsten, gegen den unendlichen Regreß. In
der kompletten Erfüllung kann man nie ankommen,
weil in diesem Zustand das erfüllte Glück und das
pure Nichts in eins fielen.
LUCIA: Eben. Die Aufhebung der Sehnsucht ist das
Ende. Das Ende jeglicher Differenzstruktur und
damit der Bestimmungsfähigkeit dessen, was wir
empfinden oder nicht empfinden, was wir haben und
was wir entbehren. Trennung ist auch die bewußte
Setzung von Differenz, um sich und den anderen
wieder in Bestimmtheit wahrnehmen zu können.
LUCIA: Ja, unsere wiederholten Trennungen waren
natürlich nicht bloß ein Spiel, ein Zwangsritus,
sie waren immer Ausdruck für das Gefühl der
Unmöglichkeit, in unserer Liebe die
unüberwindbaren Gegensätze aufzuheben. In der
Situation vor dem Entschluß zu gehen, erschien mir
die Liebe zu ihm wie ein einziges großes
Mißverständnis, eine gepflegte Illusion.
LUCIA: Deshalb nehme ich mir nach jeder versuchten
Trennung vor, sie nicht noch einmal zu
wiederholen. Nach der Trennung gibt es für mich
keine Intentionalität mehr im Leben, und ich habe
es nie soweit kommen lassen, eine Intention zu
entwickeln, die autonom, unabhängig vom anderen
existierte.
LUCIA: Ja. Trennung bedeutete immer einen Riß des
Fadens. Daß ich dennoch nur mit ihm einen neuen
Faden spinnen wollte, das hängt vielleicht
zusammen mit einer diffus-romantischen Vorstellung
von dem Ganzen, was mein, unser Leben irgendwann
sein sollte. Ich habe die Partner nicht
gewechselt, um aus meinem Leben eine Entwicklung
zu machen, ich wollte diese Veränderung immer mit
demselben Geliebten.
LUCIA: Ja und nein. Natürlich hatten wir uns nicht
über Nacht zu neuen Menschen gemacht, aber wir
waren doch andere als vor der Trennung. Ich habe
die bedeutungsschweren Dinge aus dem Koffer wieder
an ihre Stelle gesetzt, in den Schrank, ins Regal
gelegt. Es waren nun wieder Dinge, belanglose
Utensilien mit Gebrauchscharakter. Ich habe das
Geschichtliche an ihnen zerstört, indem ich sie
zurücklegte an die Orte, die nach der Trennung
frei geworden waren als bloße Plätze, an denen
etwas gelagert wird und nichts mehr bewahrt.
LUCIA: Und suche mich und suche mich und finde
nichts..
LUCIA: Man darf nicht einpacken, man muß geben,
aufgeben, hinterlassen. Ich bin ja nie gegangen.
Mein Koffer war letztlich nichts anderes als der
letzte Versuch einer Bewahrung unserer Liebe und
die Verhinderung des furchtbaren Eingeständnisses:
Ich habe den anderen nicht erreicht. Wenn ich
einmal wirklich ginge, dann nicht in diesem Stil
mit all den Klamotten und der Dramatik. Irgendwann
in der Badewanne wird es mir einfallen, daß unsere
Liebe ausgeliebt ist, Schluß, vorbei. Keine
Erregung, keine Dramatik mehr. Dann werde ich ohne
Ankündigung und ohne Koffer gehen. Zigaretten
holen – und nicht mehr wiederkommen. Jan hätte
keinen Zug mehr im Spiel.
LUCIA: Absolute Liebe ist eng gekoppelt an die
Idee der Zeitlosigkeit, der Vollendung. Ich spüre
daran, wie die Zeit verfließt. Nach der Trennung
gab es keine Zeit mehr, keinen Raum, keine Welt.
Die Welt um mich war schal, geräuschlos und
unerträglich laut zugleich, keine Komposition
mehr, sondern Reihung von Fragmenten,
Sinnesreizen. Kein Halt und kein Halten an dieser
Welt ohne den anderen. Die Welt nach der Trennung
war bedeutungslos, unendliche Stille.
LUCIA: Wo nichts mehr auf etwas anderes verweist,
wo keine Deutungen mehr möglich sind, wo diese
große Unbeweglichkeit und Endlosigkeit der Welt
Raum gewinnt, wo alles nur es selbst ist. Ich
finde das Man-selbst-Sein, die Selbstbezüglichkeit
völlig paranoid und unendlich langweilig, halte
die Idee einer endgültigen Selbsterkundung für
eine geschickte Marktstrategie der
Psychoanalytiker im Zeitalter eines desaströsen
Narzißmus.
LUCIA: So stelle ich mir den Tod vor. Ich bin
nicht mehr dabei. Nichts ist mehr Prozeß, nichts
Bewegung. Stille und die Welt – ein einziges
großes sinnloses Bild. Ich gehöre nicht mehr dazu,
stehe jenseits der Grenze und sehe keinen Anlaß,
in dieses ewige Chaos wieder einzutreten.
LUCIA: Ich habe mich immer dann getrennt von ihm,
wenn wir in der totalen Kommunikationslosigkeit
angelangt waren. Er stand am Fenster, verstummt,
ohne Mund. Ich habe geredet, Antworten gefordert,
ich war ein einziger Mund. Unser Streit war das
vollendete Scheitern jeglichen Gesprächs. Er
blickte in die Ferne, und jedes meiner Worte war
das Wort zuviel, ich trug den Streit aus, der
andere ertrug ihn. Dann ging ich, denn wo es
keinen Widerstand mehr gegen meine Worte gibt,
keine Gegenrede, da ist nichts mehr zu holen. Das
ist das Ende: nur noch ich, die mir
entgegenklingt, und der andere untergetaucht
zwischen den Zeilen, die ich an ihn richte.
LUCIA: Negativ gebunden durch das Ausbleiben
seines großen 'Ja, ich liebe dich'.
LUCIA: In der Trennung wird die Liebe noch einmal
auf einen dramatischen Höhepunkt getrieben, der
der Intensität des gemeinsamen Orgasmus
entspricht. Das 'Danach' ist immer eine
Beruhigung, ein Verebben des Sturms, das Eintreten
der kleinen Tode in die Zeit.
LUCIA: Gut war es, wenn die Tränen versiegten.
Dann war ich einfach wieder da, er war wieder da,
ganz unmittelbar. Die Interpretationen und
Sichtweisen, die ganze Verstrickung und der Zwang
zur Deutung waren weggeheult. Und da sah ich ihn
wieder, unbegriffen, unausgelegt, unbesetzt, schön
wie eh und je. Der Anblick der Schönheit ist für
mich ein Lebenselixier. So etwas wie ein
Selbsterhaltungstrieb. Ich kann mir kein Leben
ohne das Schöne vorstellen.
LUCIA: Um bei Arthur anzuknüpfen: Ich finde auch,
daß Sex am Anfang wichtig ist. Es beginnt doch
schon mit dem Geruch, der einen verrückt machen
kann. Ich habe mir bei Jan sofort vorgestellt, wie
seine Haut wohl aus der Nähe riechen würde. Aus
zwanzig Metern Entfernung roch sie jedenfalls
ziemlich gut.
LUCIA: Das war am Anfang auch bei uns ein
wichtiger Punkt der Auseinandersetzung. Für Jan
war die Sexualität die Grundlage einer Beziehung,
auf der der Rest aufbaute.
LUCIA: Eben. Was bleibt schon übrig, wenn nur der
tierische Trieb stimmt.
LUCIA: Verliebtheit als Revolution, als Zäsur der
eigenen Lebensgeschichte, sich zu machen, statt zu
sein, die Verliebten als Behälter voller
Zukunft... alles gut und schön. Und was ist mit
denen, die sich nicht auf eine gemeinsame Zukunft
festlegen wollen, die ihr Leben selbständig und
unabhängig voneinander gestalten?
LUCIA: Die wirklich geliebte Frau muß unerreichbar
bleiben. Bei uns forderte Jan diese Liebesbeweise.
Ich bin durch Höllen gegangen, bis ich ihm klar
gemacht hatte, daß nur ich die Richtige war. Ich
mußte den Minnedienst erbringen und den Mann
langsam erobern. Manchmal denke ich, daß solche
Rollenverteilungen des Anfangs später nie
vollständig in Frage gestellt werden.
LUCIA: Ja, ja, deshalb sagt Werther auch: "Und wie
wert ich mir selbst werde, wie ich mich selbst
anbete, seitdem sie mich liebt."
LUCIA: Mir ist der rasende Gefühlssturm in der
Phase des Verliebtseins fremd. Mein Gefühl war ein
leises, inwendiges Erzittern, als ich ihn zum
erstenmal sah, und es war begleitet von dem nicht
wahnhaften, sondern ganz klaren, schlichten
Wissen, daß er für mein Leben die größte Bedeutung
haben würde. Mich verlieben in einen anderen
bedeutet für mich ein Wiedererkennen: den
wiederfinden, zu dem ich gehöre und der zu mir
gehört. Der andere ist dabei radikal wichtig als
anderer, nicht als Projektionsfläche meines Egos.
LUCIA: Jan empfand meinen Satz "Wenn du stirbst,
bringe ich mich auch um" immer als bedrohlich. Als
Antwort bekam ich zu hören, daß ich nicht
selbständig genug sei.
LUCIA: War da nicht ganz einfach die Angst vor dem
Verlust und die paradoxe, aber faszinierende
Lösung: Bevor alles zerfällt, bringe ich mich um?
LUCIA: Nein! Es ist möglich, die Liebe vor dem Tod
zu bewahren.
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