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Kapitel 8 Krise Das verhexte Treibhaus
AARON: Es macht Angst, sich der Krise in einer
Beziehung zu nähern. Es ist, als wohne man einem
Sterben bei. Es muß nicht bis zum Ende gehen, kann
aber ein Gang durch die Hölle sein.
ARTHUR: Du hast recht, während auf der einen Seite
die Liebe mit ihren unzähligen Spielarten steht,
breitet sich hier ein ganzes Arsenal von möglichen
Waffen zwischen zwei Menschen aus. Ausdrücke wie
'Stierkampfarena', 'Schlachtfeld' liegen da nahe.
Es kann einem schon manchmal einen Schrecken
einjagen, welch subtile Waffen der Geist zweier
Liebender auszutüfteln vermag.
HECTOR: Aber – um an dieses kriegerische Vokabular
anzuknüpfen – dem eigentlichen Kampf gehen Zeiten
voraus, in denen die Waffen geschmiedet werden.
Oftmals kündigt sich alles noch in recht harmloser
Weise an. Liebesbeweise werden weniger, kleine
Empfindlichkeiten werden auf einmal wichtiger,
immer schon hast du dieses oder jenes an dem
anderen nicht leiden können, aber auf einmal ist
es, als würde es mit aller Kraft hervortreten.
CHARLOTTE: Es muß dieser Entwicklung doch etwas
vorausgegangen sein! Wie kommt es zu solchen
Abgründen? Diese Sprache, die nun aufkommt,
erschreckt mich. Ich will keinen Krieg!
LUCIA: Wir müssen ja nicht gleich so weit gehen,
es gibt in den noch harmlosen Auseinandersetzungen
genügend Beispiele für das Ringen um Souveränität
und Macht. Eines der effektivsten Mittel, diese zu
erringen, ist die Gleichgültigkeit. Mit ihr kann
mein Partner mich in die Raserei treiben, vor ihr
beginne ich zu toben, um ihr gleich darauf zu
erliegen. Sie ist die Gummiwand, die die Zelle
meiner Wut umgibt und aus der ich nicht mehr
herauskomme. Ich schlage dagegen, sie nimmt den
Schlag weich auf, um sofort wieder in ihrer alten,
durch nichts zu erschütternden Erscheinung
dazustehen. Mit der Gleichgültigkeit kann mein
Partner eine Form der Macht über mich erlangen,
der ich nicht gewachsen bin.
REBECCA: Ich kenne die Gleichgültigkeit als
fehlenden Liebesbeweis. Für mich kann sie der
Boden werden, auf dem die Giftpflanzen der
Beziehung wachsen. Auf diesem Boden kann ich mich
zunächst zu einem Steinkraut entwickeln, immer
noch in der Lage, auch aus den kleinsten Ritzen
des harten Steins ein bißchen Nahrung zu holen.
Ich kann auch zur flehenden Kriechpflanze werden,
die, wenn sie ihren Hunger nicht gestillt bekommt,
ihre Arme wild in alle Richtungen auszubreiten
beginnt, auf der Suche nach den allerkleinsten
Brocken. In ihrem Wachstum ständig angetrieben von
der Sehnsucht, in irgendeinem schwer zu
erreichenden Winkel die Lücke in der
Gleichgültigkeit des Geliebten zu finden, durch
die der Blick auf die erhoffte Liebe zu mir
sichtbar wird.
HECTOR: Das ist eine seltsame Botanik der Liebe,
die du hier vor uns entfaltest. Eine verkehrte
Pflanzenwelt, denn bisher war mir die Blume immer
das Zeichen der Liebe, und nun sehen wir uns hier
von Kriech- und Schlingpflanzen der Krise umgeben.
Da fehlt nur noch die fleischfressende Pflanze.
ARTHUR: Ich halte Rebeccas Schilderungen für eine
Art Mauerblümchen-Phantasie.
REBECCA: Da könntest du in gewisser Weise sogar
recht haben, denn was ich hier ausdrücken wollte,
ist eine Verwilderung in einer Beziehung, in der
sich einer der beiden – eben wie das Mauerblümchen
– nicht oder nicht mehr geliebt fühlt. Wenn es
deswegen nicht gleich zu einer Trennung kommt,
kann dieses Mangelgefühl in einer Beziehung
allerlei anstellen.
ARTHUR: Worauf spielst du an? Auf die
Ich-liebe-dich-Litaneien, mit denen vom anderen
permanent der Liebesschwur abverlangt wird? Ich
finde es extrem disharmonisch, wenn von mir der
permanente Eid verlangt wird. Es reicht nicht, daß
ich handle und daß sich meine Liebe in diesen
Handlungen ausdrückt. Ich werde gezwungen, diese
Liebe zu formulieren. Liebe ohne Sprache wird zur
Nicht-Liebe deklariert. Das wird zum inflationären
Liebesbeweis: Liebst du mich? Ja! Liebst du mich
auch wirklich? Ja! Das ist ein Infinitumprozeß,
das sind schließlich doch Zeichen von Nichtliebe.
AARON: Ich denke, daß die Liebe aufhört, wenn man
dauernd nachfragt.
ARTHUR: Oder sie getötet wird.
JUDITH: Das Vernichtende ist das Fordernde. Liebe
wäre der Zustand, wo nicht gefordert wird, wo
gelassen wird, wo etwas weiterwachsen kann.
REBECCA: Das empfinde ich auch so. Das Gefühl,
nicht wirklich geliebt zu werden, treibt dich auf
die Suche nach dem Liebesbeweis. Und diese Suche
kann über die Grenzen der Intimsphäre hinausgehen,
sie kann zu einem Stöbern in seinen Tagebüchern,
seinen Briefen werden, und schon beginnt der
Teufelskreis, denn wozu deine Angst, deine
Liebessehnsucht dich getrieben haben, kann dein
Verstand nicht legitimieren. Irgendwann wird
dieses Tun herauskommen, und dann wird es ebenso
vernichtend sein, wie das Flehen um das
Ich-liebe-dich.
CHARLOTTE: Auf diese Weise steuert die Beziehung
in eine fatale Doppelbödigkeit: krampfhafte
Versuche, die Ruhe zu bewahren, und im Untergrund
das heimliche Wühlen in der Schrift.
HECTOR: Ich sehe hinter dem Lesen im Tagebuch des
anderen noch andere Motive. Es ist die Suche nach
einem verborgenen Gesicht, das man intuitiv zu
spüren meint, das in der Realität des
Zusammenseins aber unsichtbar bleibt. Dieses
verborgene Gesicht liegt hinter einer nach außen
getragenen Glätte und Souveränität.
CHARLOTTE: Die Suche nach diesem Gesicht
beinhaltet die Sehnsucht nach der Schwäche, der
Verletzbarkeit, dem Gefühlsausdruck des Geliebten.
Ich glaube, daß nur ganz bestimmte Männer zu
diesem Stöbern in ihren Tagebüchern anregen.
Männer, denen man letztlich nicht abnehmen möchte,
daß sie mit beiden Beinen so fest verankert in
ihrem Selbstbewußtsein stehen.
JAN: Das sind wohl auch diejenigen, die am ehesten
überhaupt Tagebücher führen.
REBECCA: Ich habe in Situationen, die ich in einer
früheren Beziehung als lebensbedrohlich erlebt
habe, eine Zeitlang permanent das Tagebuch des
Geliebten gelesen, um dort die Wahrheit über mich
und über uns zu suchen. Ich habe es ihm
schließlich gestanden und dennoch weitergemacht.
Es fehlten darin jegliche Liebesbeweise. Dieses
Tagebuch wurde zu einem Orakel der
Selbsterkenntnis für mich, dem ich eine Zeitlang
verfallen war.
LUCIA: Warum aber hast du dich nicht getrennt?
REBECCA: Weil ich eben jene Gleichgültigkeit in
Form einer profanen Tagebuchnotiz fürchtete: "Sie
hat mich verlassen."
HECTOR: Genau den Satz hätte er nicht geschrieben.
In diesem Moment wäre ihm sein Tun nämlich zu
Bewußtsein gekommen. Dann hättest du ihn im
Körbchen auf dem Nil ausgesetzt.
GABRIEL: Was haltet ihr davon, wenn das Tagebuch
zur vertrauten Person wird, der man die
Alltagsprobleme mit dem Partner anvertraut?
REBECCA: Ich habe in dieser Zeit selbst Tagebuch
geschrieben, allerdings mit dem unbedingten
Wunsch, daß er darin lesen, sich dafür
interessieren würde. Das war nicht der Fall. Ich
glaube, es gibt verschiedene Arten, Tagebücher zu
führen. Manche können zu einer Manifestation des
Problems beisteuern, zu seiner Versteinerung. Es
gibt aber auch andere, die eine Suche nach der
Metamorphose darstellen. Die einen untermauern das
Unglück, während die anderen auf die Suche gehen.
SALOME: Trotzdem hat Tagebuchschreiben auch etwas
mit Einsamkeit zu tun. Es kann eine
wiederherstellende Funktion haben, darf aber einen
Menschen nicht ersetzen, erst recht niemanden, mit
dem man zusammenlebt.
JUDITH: Darin steckt auch ein gewisser Narzißmus,
in dieser Lust an der Schrift.
SALOME: Narzißmus hat etwas mit Einsamkeit zu tun.
Das Schreiben bleibt ein Ersatz für die verstummte
Sprache. Alles, was wir schreiben, ist abwesend.
LUCIA: Man kann nach Worten ebenso süchtig sein
wie nach Menschen. Ich finde es legitim, sich
zurückzuziehen, um die Worte zu finden, und sich
von dem Partner abzugrenzen.
SALOME: Ich bestreite das nicht. Ein Tagebuch zu
schreiben, ist sicher eine konstruktive Art, sich
einen eigenen und geheimen Raum zu schaffen.
Dennoch verhindert weder Liebe noch Freundschaft
die Einsamkeit. Wir alle haben Schattenzonen,
unaussprechliche Gedanken, Versuchungen,
Entmutigungen, Haß und Ekelgefühle, Auflehnungen,
eine Menge Verbote. Diesen müssen wir uns ohne
Hilfe von außen stellen.
AARON: Oder das Tagebuch untermauert die
Einsamkeit zu zweit. Die Beziehung gerät doch
genau dann in die Krise, wenn bei einem der beiden
Partner das Interesse für den anderen nicht mehr
vorhanden ist. Die Grundlage des
Aufeinandereingehens ist damit entrissen.
SALOME: Dann ist es wie auch sonst im Leben: Die
Geschäftsgrundlage fällt weg, der Kontrakt ist
nichtig, und man trennt sich.
GABRIEL: Ein exzellentes Bild, dieser Wegfall der
Geschäftsgrundlage. Der Partner verändert
plötzlich sein Aussehen, nimmt in Windeseile an
Gewicht zu, so daß er nicht wiederzuerkennen ist.
Ein Freund beklagte sich darüber, daß seine Frau
im ersten Jahr nach der Heirat 20 Kilo zugenommen
hatte. Er fragte sich, ob er nicht die Gültigkeit
der Ehe anzweifeln mußte.
JUDITH: Mit den Jahren verändern sich bestimmte
Merkmale bei beiden Partnern. Das kann unbemerkt
vor sich gehen, so daß wir irgendwann unvermittelt
und unvorbereitet vor einer Person stehen, die wir
eigentlich gar nicht gewählt hatten.
GABRIEL: Oder eine anfängliche Differenz schwindet
langsam, wenn sich zum Beispiel ein 15jähriges
Mädchen in einen doppelt so alten Mann verliebt,
mit der Zeit jedoch zunehmend die Bewunderung für
ihn verliert, als sie merkt, daß auch er nur mit
Wasser kocht. Wenn man Gott das Wasser reichen
kann, fällt er vom Himmel.
AARON: Du bist nicht mehr, wofür ich dich gehalten
habe, sagte der Enttäuschte.
GABRIEL: Eine Beziehung zu einem sehr viel
jüngeren Menschen birgt Risiken. Was zunächst
Labsal für denjenigen ist, dessen Jugend im
Schwinden begriffen ist, wird im Laufe der Zeit
die Konfrontation mit einer anderen Generation.
SALOME: Vor allem die Erwartungen und Perspektiven
des Lebens sind unvereinbar. Die jugendliche
Schönheit wird zur Gefahr, weil sie die Grenzen
der eigenen Existenz aufzeigt. Was Jungbrunnen
war, wird zur vorzeitigen Alterung. Da gründet der
Wunsch, die Vitalität in einem jüngeren Partner zu
brechen.
HECTOR: Das gilt nicht nur für Beziehungen mit
einem erheblichen Altersunterschied, sondern auch
für langjährige Beziehungen. Die gemeinsame Basis,
die im ersten Jahr erarbeitet worden ist, muß
ständig neu bestimmt werden, ansonsten besteht die
Gefahr, daß die Beziehung auf Eis gelegt wird.
GABRIEL: Das geschieht sehr häufig in der späten
Phase, nach fünf, sechs Jahren oder im verflixten
siebten, wenn jegliche Dynamik stillgelegt ist,
die Liebe fest im Fett der Gewohnheiten sitzt und
der andere zu einem Bestandteil meiner Identität
geworden ist. Dann habe ich ihn vollends
absorbiert, habe ihn zur Grundkonstante meines
eigenen Daseins und damit gänzlich bewegungslos
und unveränderbar gemacht. Die Liebe ist in diesem
Stadium petrifiziert, der Geliebte wird zur
Statue.
SALOME: Der Liebende umgibt sich mit der Kälte
eines Marmorsteins und das lebendige Gespräch, von
dem die Liebe lebte, erstarrt im eisigen Schweigen
des stehenden Augenblicks, der zur Ewigkeit zu
gerinnen droht.
GABRIEL: Liebe ist aber Veränderung. Der Partner
wird zum Sprungbrett, das mich in die Zukunft und
unter die Menschen wirft. Wenn wir den Partner in
einer statischen Rolle festschreiben, geht die
Liebe zu Ende. Dann ist der Mensch für uns
erledigt.
AARON: Plötzlich denkt man an die gemeinsamen
Abende zurück, in denen man sich gegenseitig den
Mythos der ersten Begegnung erzählt hat. Die
Geschichte der einmaligen Liebe hatte sich damals
selbst erfunden. Alles, jede kleine Geste, jeder
noch so unbedeutenden Zufall hatte sich mit
Bedeutung belegt. Und diese Geschichte des
Anfangs, diese Urszene, hatten sie sich unendlich
oft wiedererzählt, immer wieder die Liebe
erneuert...
HECTOR: ...und nun bleibt dieses Gefühl aus. Der
Mythos verliert seine Zauberkraft. Das einzige,
was von ihm übrigbleibt, ist die Tatsache, daß er
zur bloßen Wiederholung verblaßt ist.
LUCIA: Der Anbruch der Krise vollzieht sich in
mehreren Schritten. Zunächst stellt sich ein
dumpfes, noch sehr unausdrückliches Gefühl der
Entfremdung vom anderen ein. Man kann es sehr
bequem übergehen, indem man so tut, als läge es an
der momentanen Unzufriedenheit mit dem eigenen
Leben. Nach einiger Zeit aber meldet sich dieses
Gefühl schon deutlicher. Die ersten unbegründeten
Aggressionen schlagen auf den anderen nieder, und
dieser verlangt dafür von dir eine Erklärung. Auch
jetzt bist du noch bereit, die Krise zu verhüllen,
indem du dir Ausreden einfallen läßt. In der
dritten Phase kommt es dann zum offenen Ausbruch
deiner Unzufriedenheit. Die ersten manifesten
Probleme kommen auf den Tisch.
REBECCA: Ich habe zwischen Krise und Beziehung
bisher nie einen Unterschied gemacht. Für mich war
die Liebe immer eine Art Dauerkrise, mal kürzer,
mal länger. Es kann dir passieren, daß du zu
Beginn nicht weißt, ob er dich liebt, und am Ende
noch immer nicht. Du versuchst, es herauszufinden.
Immer wieder möchtest du hören, daß er dich liebt,
aber er äußert es nicht. Obwohl er mit dir
zusammen ist, verleugnet er die Existenz einer
Beziehung. Kurz: Nach außen hin entsteht der
Eindruck einer festen Partnerschaft, aber im
Innern herrscht die Dauerkrise. Eine solche
Spaltung kann über Jahre anhalten, ohne daß die
Krise zur erlösenden Trennung führt. Das ist wie
ein spannungsgeladenes Verharren in der
Vorwegnahme des Endes.
ARTHUR: Das ist die Krise in Permanenz. Der
Krisenzustand kann auch ein Mittel sein, die
Beziehung lebendig zu halten. Oftmals lassen sich
dann Krise und Trennung gar nicht mehr voneinander
unterscheiden.
SALOME: Deswegen lege ich Wert auf Streit. Szenen
können auch ein Schutz gegen das Eindringen des
anderen und gegen die Fusion sein. Sie sind häufig
ein Mittel, sich zu versichern, daß wir beide sehr
verschieden sind und uns auf einer bestimmten
Ebene hassen können. Der Zugang zu einem
ambivalenten Verhältnis ist möglich, ohne die
Liebe des anderen zu verlieren.
LUCIA: Diese Variante gibt es sicherlich auch,
aber ich wollte eben deutlicher auf die Gründe zu
sprechen kommen, die die plötzlichen Risse
bewirken. Ich denke da an den Bereich der
Sexualität. Die meisten Frauen und Männer haben
wahrscheinlich Zeiten erlebt, in denen der Sex
häufig, intensiv und außergewöhnlich war, und
haben sich gewünscht, daß das immer so bliebe.
Diese außergewöhnlichen Erlebnisse wurden dann zum
Maßstab für die alltägliche Sexualität in der
Beziehung.
AARON: Das ist vollkommen illusorisch, denn die
einmaligen sexuellen Augenblicke sind abgezählt,
da sie entscheidend an ein Gefühl des
Sich-fremd-Seins gebunden sind. Wenn sich die
Vertrautheit zwischen Mann und Frau einstellt, ist
die Euphorie des Anfangs nicht zu retten. Deswegen
muß man sich später mit künstlichen Mitteln
behelfen, das kommt einer Institutionalisierung
gleich. Das ist zum Scheitern verurteilt.
SALOME: Ich kenne Frauen, die für ihren Mann
Strapse anlegen. Wenn es von mir verlangt würde,
dann würde bei mir die Krise wirklich ausbrechen.
All diese künstlichen Mittel sind auf die schnelle
Erregung des Mannes abgestellt. Das Künstliche muß
raus aus den Schlafzimmern. Ich erlebe die
unendliche Hast einzudringen als neurotisch. Warum
kann man nicht den Vaginismus als Sinneslust
verstehen, die sich verweigert und protestiert;
die Impotenz als eine Männlichkeit, die nicht mehr
ihre Rolle spielen will und die Prüfung ablehnt;
im vorzeitigen Samenerguß den erotischen Apparat
sehen, der sich über sich selbst lustig macht? Es
wird zuviel therapiert.
GABRIEL: Ein über sich selbst lachender Penis
wider den tierischen Ernst der Sexualtherapeuten.
Köstlich!
SALOME: Wenn die erotische Trockenzeit zur
Abstinenz hochstilisiert wird, tritt der Sexus in
die pubertäre Jungfräulichkeit zurück.
HECTOR: Ich weiß nicht so genau, ob dein Plädoyer
wider die Künstlichkeit beim Sex und für den
Vaginismus als Sinneslust die Krise in der
Sexualität wirklich beseitigen kann.
JAN: Solche Konzepte sind mir viel zu abstrakt.
Die Wahrheit ist doch die: Sex schlafft mit der
Zeit ab. Das ist wie ein Naturgesetz.
Selbstverständlich kann ich es gut verstehen, wenn
man sich Gedanken darüber macht, wie man die
Anfangsphase ausdehnen kann, sei es mit Strapsen
oder ohne. Entscheidend bleibt doch, ob du in der
Lage bist, die Enttäuschungen beim Sex umzulenken,
indem du ihm nicht mehr den zentralen Stellenwert
einräumst, den er zu Beginn zweifelsohne hat.
HECTOR: Du meinst, man kann auch zusammenbleiben,
wenn der Sex nicht mehr funktioniert?
JAN: Für mich gilt das nicht, aber bei vielen
Menschen werden andere Dinge wichtig: die
gemeinsame Absicherung der materiellen
Lebensbedingungen, die Erziehung der Kinder, die
gemeinsamen Interessen.
HECTOR: Trotzdem sollte man den Verlust der
sexuellen Spannung als Krisensymptom nicht
unbeachtet lassen. Stell' dir vor, du merkst nach
einem Jahr, daß die Lust des Anfangs bei deiner
Partnerin nachgelassen hat. Die sexuellen Kontakte
automatisieren sich allmählich, leben nicht mehr
von der Phantasie der ersten Berührung. Dann
verweigert sie sich zum erstenmal. Immer hast du
davor Angst gehabt, daß es passieren würde...
AARON: Im intimen Bereich zurückgewiesen zu
werden, ist eine tiefe Kränkung.
HECTOR: Dann beginnst du, dir einzureden, daß es
Wichtigeres als die Sexualität in der Beziehung
gibt. Es findet eine permanente Verdrängung deiner
unbefriedigten Lust statt. Schließlich wirst du
bei wiederholten Zurückweisungen aggressiv und
beginnst, dir mögliche Vergeltungen zu überlegen.
Wenn sie dich dann vereinzelt doch noch mal an
sich heranläßt, geht es meistens schief.
HECTOR: Beim Mann. Der Druck lastet zu stark auf
ihm, dieses eine Mal erfolgreich sein zu müssen.
GABRIEL: Und wie reagiert die Frau darauf?
HECTOR: Mit scheinbarem Wohlwollen, aber innerlich
natürlich enttäuscht sagt sie: Mach Dir nichts
draus, es ist nicht so schlimm. Aber das glaubst
du ihr nicht. Und hier beginnt das Mißtrauen, daß
du nur noch schwer wieder beseitigen kannst.
ARTHUR: Was darauf hinausläuft, daß man zusammen
entweder ganz schnell eine Eigentumswohnung kauft
oder sich ohne großes Theater trennt.
SALOME: Halt, so schnell geht das nicht. Ich gebe
zwar zu, daß für einige die Sexualität ein
Hauptkriterium für das Gelingen der Beziehung ist,
aber in Krisenphasen spielen immer mehrere Gründe
eine Rolle. Wir sollten sie nicht nur in der
Sexualität suchen. Da sind zum Beispiel die ganzen
Unarten des anderen, die sich erst nach Jahren des
Zusammenlebens zeigen.
REBECCA: Daß er die Nase so laut hochzieht, daß er
wie ein Elefant schnarcht, daß er schmatzt und
schlürft. Aber darüber habe ich ja bereits
gesprochen.
ARTHUR: Ich könnte mir vorstellen, gegenüber
meiner Freundin einen richtigen Ekel zu
entwickeln. Plötzlich würde ich dann einen Geruch
an ihr wahrnehmen, der mich vollkommen abstoßen
würde; einen Geruch, den ich mit Unsauberkeit und
Fäulnis verbinde.
HECTOR: Willst du damit sagen, daß du davor Angst
hast, deine Freundin könnte mit der Zeit
verschimmeln?
ARTHUR: Nein, ich meine das eher im übertragenen
Sinn. Das ist nur eine Vorstellung, in die du dich
hineinsteigern kannst. Vielleicht riecht sie gar
nicht anders als sonst auch, aber ihr Geruch ist
dir plötzlich fremd.
REBECCA: Hat das nicht insgesamt etwas mit der
Entfremdung vom anderen zu tun? Es stellen sich
diese Momente ein, in denen man spürt, daß der
andere einem völlig fremd ist. Wenn das Gesicht
des Partners, das man tausendmal gesehen hat, auf
einmal in seiner ganzen Gleichgültigkeit dasteht.
Natürlich geht diesen Augenblicken ein längerer
Entfremdungsprozeß voraus, und innerhalb dieses
Prozesses wagt keiner, die Sache auf den Punkt zu
bringen. So steht man monate- und jahrelang in
zunehmendem Dunst.
HECTOR: Der Gedanke plötzlicher Fremdheit macht
mir Angst. In einer früheren Beziehung stand
permanent ein Satz als Schatten über uns: "Es
könnte sein, daß irgendwann meine Liebe zu Dir
aufhört." Ein Satz, gegen den ich machtlos war.
Ich selbst hätte das nie sagen können und kann es
auch heute nicht. Du kannst mit dem anderen durch
alle schwierigen Situationen und Krisen
hindurchgehen, doch gegen diesen Ausspruch, der
von außen kommt, ja aus der Fremdheit des anderen,
dagegen bist du vollkommen machtlos. Das lähmt
dich.
JAN: War das von ihr die Vorwegnahme einer
möglichen Trennung, eine eingebaute Sicherung?
HECTOR: Nein. Ich denke, sie hat das aus eigener
Erfahrung gesagt. Allerdings war sie jemand, der
im tiefsten Innern seines Herzens eine Leere
hatte, einen schwarzen Punkt, der auf der anderen
Seite das Zentrum ihrer Unruhe und Betriebsamkeit
war. Sie besaß keine innere Fülle, keine innere
Mitte, die ihr genügt hätte. Meine Angst, daß die
Liebe einmal aufhören könnte, bezog sich auf
dieses schwarze Loch.
REBECCA: Es gibt aber auch die Selbstentfremdung,
wie du sie erlebst, wenn du von einer Beziehung in
die nächste stolperst. Dann entdeckst du
irgendwann in dir selbst dieses Loch. Du schaust
in den Spiegel und erkennst dich selbst nicht
mehr.
ARTHUR: Die Entfremdung entsteht in vergilbten
Bilderhaufen. Je weiter eine Beziehung in der Zeit
fortschreitet, um so größer wird dieser
Bilderhaufen. Dort stinken die alten Streitereien
und Enttäuschungen, dort verfaulen nicht verdaute
Verletzlichkeiten und kleine Boshaftigkeiten,
gedeihen die alten Vorwürfe und Häßlichkeiten. Das
legt sich auf einen wie wie muffiger Pilz.
GABRIEL: Unerträglich, diese Vorwürfe aus
Urzeiten, Jahre oder Jahrzehnte alt! Plötzlich
liegen sie während der Auseinandersetzung auf dem
Tisch, frisch wie gerade gelegt. Dann hört man,
daß man schon immer so gewesen ist, sich nie
geändert hat und sich nie ändern wird. Zum Schluß
kommt der Blick ins Familienalbum der brüskierten
Gefühle, der temporären Fehltritte und der
zeitweiligen Lieblosigkeiten, alles unendlich
losgelöst von dem augenblicklichen Empfinden.
Nichts ist tödlicher für die Liebe als die
Zerrspiegel mit den Bildern von damals.
JAN: Genau, sie liegen einem wie ein Geschwür im
Magen. Lucia hat es mir bis heute nicht verziehen,
das ich nicht von Anfang an sagen konnte: "Du bist
die Frau meines Lebens."
LUCIA: Das stimmt. Die Verbitterung hat zumindest
sehr lange angehalten. Ich hatte das Gefühl, daß
Jan mit seinen früheren Frauengeschichten die
Möglichkeit verbaut hatte, eine Liebesromanze zu
leben, die in jeder Hinsicht jungfräulich war.
Immer wieder quälte mich der Gedanke, daß er das,
was ich gerade hörte und fühlte, schon bei einer
anderen Frau gesagt und getan hatte. Er hatte
schon oft 'Ich liebe Dich' gehört, ich hingegen
noch nicht. Es war dennoch gleichzeitig
faszinierend, daß wir das romantische Ideal
beidseitiger Jungfräulichkeit nicht inszenieren
konnten, weil die Beziehung daran letztlich
zerbrochen wären.
ARTHUR: Das, was Du Jan ständig vorgeworfen hast,
hat euch dennoch gerettet. Was für eine
eigenartige Paradoxie!
JUDITH: Warum hätte es eure Liebe zerstört, wenn
es für euch beide das erste Mal gewesen wäre?
LUCIA: Weil sich zwei jungfräuliche Menschen
zwangsläufig trennen, denn die erste
Liebeserfahrung ist zu überwältigend, als daß sie
von beiden in dieser Intensität auf Dauer gelebt
werden könnte.
SALOME: Überwältigend ist sie schon, aber es muß
nicht in jedem Fall zur Trennung führen.
JUDITH: Die allererste Liebe führt meistens
deshalb schnell in die Krise, weil sie von anderen
als unrealistisch angesehen wird. Von den Eltern
wird oft suggeriert, daß die erste Beziehung noch
nicht den rechten Maßstab für eine endgültige
Bindung abgeben kann. Dazu bedürfe es größerer
Erfahrung als nur die Beziehung mit einem Mann.
SALOME: Hinter diesen Warnungen steckt nicht nur
ein weiser Ratschlag sondern auch Neid. Man soll
nicht das leben, was den anderen selbst nicht
gelungen ist. Als junges Mädchen habe ich oft zu
hören bekommen, daß man die große Liebe nicht
heiraten würde.
JUDITH: Der Versuch wird einem nicht einmal
gestattet. Es ist stattdessen eine Illusion, vor
der man sich hüten soll.
LUCIA: Die Warnung der Eltern hat allerdings
manchmal präventiven Charakter. Das stellt sich
erst dann heraus, wenn man mit dem Mann ein paar
Jahre zusammengelebt hat und er seine ganzen
Macken und Fehler zeigt. Dann denkt man sich:
"Hätte ich doch nicht den Erstbesten genommen."
Jetzt hänge ich in dieser ganzen Kiste drin und
kann mir kaum ausmalen, wie es mit einem anderen
wäre.
HECTOR: Eine wahrhaft schauerliche Vorstellung.
LUCIA: Da sollte man sich doch eher über
zahlreiche Beziehungen in die Pragmatik der Liebe
einarbeiten, um über das im Bilde zu sein, was
einen erwartet bei der Einwilligung in die Ehe.
REBECCA: Es kommt mir immer noch so vor, als
handle es sich bei der Krise um harmlose kleine
Sandkastenschlachten. Mir scheint, daß wir uns
noch immer nicht das ganze Waffenarsenal der
Liebenden klar gemacht haben. Die Krisenzeit ist
wie eine Verwilderung. Aus den zwei zarten
Pflänzchen treten mehr und mehr die wilden Triebe
hervor und fangen an, sich auf ganz andere Weise
umeinander herum zu ranken.
ARTHUR: Du gehst davon aus, daß bei beiden die
Bereitschaft zum Kampf besteht. Es ist aber auch
möglich, daß einer sich herauszuziehen beginnt. Wo
zwei miteinander ringen, sind sie doch immer noch
aneinander interessiert.
REBECCA: Auch für den Fall, daß der andere sich
nicht darauf einlassen will, gibt es Mittel, ihn
oder sie aus der Reserve zu locken.
LUCIA: Das ist natürlich auch eine
Temperamentsfrage. Ich kann mir durchaus Menschen
vorstellen, die nicht darauf eingehen würden.
GABRIEL: Aber worauf denn nun eigentlich? Wie
sieht sie denn aus, die Verwilderung der
Beziehung?
JUDITH: Es gibt natürlich ganz unterschiedliche
Strategien, je nach Charaktereigenschaft. Eine der
subtilsten besteht darin, die inzwischen erlangte
Kenntnis vom anderen, das Wissen um seine
Schwächen und Ängste gegen ihn zu wenden.
REBECCA: Das wird natürlich nicht so schnell
sichtbar. Zunächst einmal kann man damit anfangen,
Zeichen der Zerstörung zu setzen. Das fängt an mit
der Forderung nach Rückgabe von Geschenken. Etwa
so: Du bist es nicht wert, schöne Dinge zu
erhalten. Was ich dir aus Liebe gegeben habe, darf
nicht bei dir bleiben. Stelle ich mir vor, daß du
diese Dinge berührst, habe ich das Gefühl, daß du
meine Liebe beschmutzt.
ARTHUR: Das klingt sehr pathetisch. Ich würde
diese Dinge allenfalls zurückhaben wollen, weil es
mir um das schöne Geld leid täte, was ich für die
dumme Ziege rausgeschmissen habe.
LUCIA: Wenn du so denkst, findet das ganze
natürlich schnell ein Ende. Ich glaube aber, daß
Rebecca uns von den Formen des Kampfes erzählen
will, die darauf angelegt sind, eine ganze Weile
geführt zu werden, um den Schmerz zu erhöhen.
Sozusagen die fiesere, aber auch gefühlsbeladenere
Variante.
REBECCA: Dann geht es weiter mit dem Zurückbringen
von Geschenken. Sie werden nun als Ausdruck der
Gefühlsarmut, als Unfähigkeit, die Liebe auf
andere als auf materielle Weise auszudrücken,
verstanden und dargestellt. Die Geschenke, die man
nun bei sich wiederfindet, die überall verstreut
im Zimmer liegen, werden zum Beweis der eigenen
Armseligkeit stilisiert.
HECTOR: Spätestens hier würde ich das Spiel
beenden und meine Türe nicht mehr öffnen.
CHARLOTTE: Vielleicht hat der Kampf schon längst
eine Eigendynamik erreicht. Ein Ablauf, der –
einmal in Gang gesetzt – bis zu einem bestimmten
Ende gespielt werden muß.
AARON: Das Ende, auf das er abzielt, ist wohl die
völlige Abkühlung der Gefühle, die bis zu diesem
Zeitpunkt ja noch nicht erreicht worden ist.
LUCIA: Ja, diese Erklärung erscheint mir sehr
plausibel. Vielleicht ist der Motor dieses Kampfes
tatsächlich der Wille zur Abtötung der Gefühle und
damit zu einer Beendigung der Schmerzen, die man
möglicherweise durch den anderen erfahren hat.
REBECCA: Einer der nächsten Schritte besteht
darin, die Briefe des anderen zu zerreißen und die
Schnipsel in seinen Briefkasten zu werfen. Alles
Symbolische ist nun an der Reihe. Zeichen der
gemeinsamen Zeiten werden zerstört,
Erinnerungsstücke an gemeinsam verbrachte Tage.
Die Muschel, die man während eines
Strandspazierganges gefunden hatte und die für
beide großen symbolischen Wert besaß, wird nun
zertreten. Wichtig ist natürlich, daß dies vor den
Augen des anderen geschieht. Das ist die
Grundvoraussetzung des verhexten Treibhauses: Der
andere muß Zeuge der Zerstörung sein.
JUDITH: Wird jetzt nicht auch langsam das Wissen
um die Schwächen des anderen zum Zuge kommen?
REBECCA: Ja, jetzt geht es langsam drunter und
drüber. Alles darf ins Feld geführt werden. Hat
der andere nicht immer eine panische Angst davor
gehabt, so zu sein wie sein Vater oder seine
Mutter? Nun: Jetzt wird man ihm klar machen, daß
er längst so ist. In allen Einzelheiten wird man
ihm die Parallelen aufzeigen, mit Wonne wird man
ihn unter einen Hut stecken mit diesem Elternteil,
ihn damit identifizieren, alles Schiefgelaufene
innerhalb der Beziehung ableiten aus dieser längst
schon wahr gewordenen strukturellen Ähnlichkeit
mit dem Verhaßten.
ARTHUR: Niemand ist gezwungen, sich all das auch
noch anzuhören! Die Welt ist ja groß genug, um
sich aus dem Weg zu gehen.
AARON: Noch ist es nicht so weit.
REBECCA: Jetzt werden erst einmal andere
eingeschaltet, die Freunde werden vor ihm gewarnt,
Zweifel an seiner Integrität gesät. Man macht
unverständliche und irritierende Andeutungen.
Natürlich hält man den anderen für die Zeit des
Kampfes noch ein wenig bei der Stange.
JUDITH: Jetzt spielst du wohl auf die
zwischendurch inszenierten Versöhnungsfeiern an?
REBECCA: Genau. Eine der brutalsten Formen der
Schmerzzufügung oder der Rache besteht darin, den
anderen immer wieder zu erweichen, ihn
gewissermaßen zu öffnen und ihm dann in diese
Öffnung den Dolchstoß zu versetzen. Ihr kennt ja
den Film Der Rosenkrieg: Sie tut so, als wolle sie
sich versöhnen, sie kocht für ihn, sie essen
gemeinsam zu Abend, er wird ganz sanft, und
während des Desserts stellt sich heraus, daß das
Hauptgericht aus seinem Lieblingshund zubereitet
worden war. Das ist in zugespitzter Form das, was
ich mit dem Ineinsfallen von Versöhnung, Öffnung
und Dolchstoß meine.
CHARLOTTE: Langsam erfaßt mich das Entsetzen. Hast
du noch mehr solcher Schauergeschichten auf Lager?
REBECCA: Nein, nein, Charlotte, ich höre jetzt
gleich auf, das ist ja wirklich ein unangenehmes
Thema. Schließlich bleibt ja trotz allem die
Möglichkeit, sich auf all das nicht einzulassen.
LUCIA: Das kann natürlich den anderen um so mehr
reizen und anspornen. Denn ein Mensch, der so
kämpft wie von dir gerade beschrieben, der läßt
sich bestimmt nicht so leicht abwimmeln. Das
Entscheidende für die Fortführung eines solchen
Kampfes besteht darin, genau die Reaktionsweisen
des Partners zu kennen und ihn immer an den
Stellen zu packen, die garantiert eine Reaktion
zeigen. Das schwierige für den anderen wäre dann,
entgegen seinen sonstigen Verhaltensweisen zu
reagieren, um endlich zum Schluß zu lassen. Das
verlangt aber ein Höchstmaß an Bewußtsein von dem,
was da gerade geschieht, und eben dieses ist in
solchen Zeiten sehr schlecht zu erlangen.
HECTOR: Es gibt auch die Möglichkeit zu
verhindern, daß der andere dieses Bewußtsein,
diesen Durchblick erlangt. Das ist am besten zu
erreichen durch eine möglichst weitgehende
Verstrickung in das Netz der giftigen Spinne.
Schon der Zweifel, der bei Außenstehenden
ausgestreut wird, zielt ja darauf ab, den anderen
nicht entkommen zu lassen.
JAN: Aber eines Tages muß der erlösende Krach
kommen, der das Ende der Beziehung bedeutet. Ich
kann mir nicht vorstellen, daß nach solchen
Kriegen eine Versöhnung möglich ist.
CHARLOTTE: Wer mir meinen Lieblingshund zum Essen
gegeben hat, der hat nun wirklich mein Vertrauen
für immer zerstört.
HECTOR: Bei all diesen Schilderungen steigt in mir
so ein Gebrüll auf, das sowohl in ein Lachen, als
auch in einen Befreiungsschrei übergehen kann, der
mit einem Schlag alles beendet.
ARTHUR: Nein nein, das Lachen ist hier fehl am
Platze. Das ist das Ende.
LUCIA: Ich weiß nicht, ich weiß nicht... Ich kann
mich nicht dazu durchringen.
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