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Beiträge von ARTHUR
ARTHUR: Die Begegnung ist das Willkürliche
schlechthin. Sie ist der Zufall. Du kannst sie
nicht vorhersehen, nicht kalkulieren. Sie ereignet
sich. Du stehst an einer Straße, schaust dich um,
und plötzlich findet sie statt. Du rast durch den
Supermarkt, stehst beim Gemüse und überlegst
verzweifelt, was du noch brauchst. Du schaust von
den Tomaten auf, triffst einen Blick und bist
verloren.
ARTHUR: Es ist eine seltsame Vorstellung, ein
hartnäckiger Mythos, daß es im Leben nur einen
Menschen geben soll, eben diese eine Liebe, dieses
eine vollkommene Glück.
ARTHUR: Trotzdem ist es Selbstbetrug. Das soll
nicht die Liebe entwerten, die man gerade erlebt.
Vielleicht geht es ohnehin vor allem um den Sex.
Die Begeisterung kann zeitlich begrenzt bleiben,
dann wird es ein netter heißer Taumel für ein paar
Tage. Fühlt man denn sofort, ob es Liebe sein
wird?
ARTHUR: Ich kann bei mir auch keine
Gemeinsamkeiten rekonstruieren.
ARTHUR: Wir erfahren bei der Begegnung mit einem
Menschen in kürzester Zeit eine Unzahl von Dingen.
Ungeheure Datenmengen werden ausgetauscht. Wäre es
möglich, alles Wahrgenommene, alles sich
Ereignende bewußt zu machen, entstünde in wenigen
Minuten ein differenziertes Bild von dem anderen.
ARTHUR: Wenn ich an die Erinnerungen denke, die
bestimmte Parfumdüfte hervorrufen... Da werden
vergangene Zeiten lebendig!
ARTHUR: Richtig! Die Erwählte, mit der ich mich um
jeden Preis zu vereinigen sehne, ist nicht
unbedingt schöner, charmanter oder intelligenter
als so viele andere. Doch der Pfeil trifft voll
ins Herz.
ARTHUR: Oder in Filmschauspielerinnen. Nehmen wir
einmal an, ich schwärme für Isabelle Adjani. Ich
träume davon, daß mein Beruf mich nach Paris
versetzt und phantasiere, daß sie mir über den Weg
läuft. Ich spreche sie an, und wir gehen ins
nächste Café. Schließlich geht der Traum so weit,
daß ich selbst daran glaube. So macht man sich
unglücklich.
ARTHUR: Es gibt Menschen, die auf ihrem Lebensweg
eine Spur der Vernichtung hinterlassen. Ich sage
euch ja, das ist der Eros.
ARTHUR: Ja, man sucht Menschen, die bestimmten
eigenen Strukturen entsprechen, um bekannte
Verhaltensmuster zu beleben. Bei der Objektwahl
sind dunkle Mächte am Werk. In meiner
augenblicklichen Beziehung ist es mir zum
erstenmal gelungen, meinen Kopf mit einzuschalten
und zu versuchen, die Ereignisse von Anfang an
bewußter zu steuern.
ARTHUR: Es gibt also Männer, die durch das Raster,
das du im Kopf hast, durchfallen würden?
ARTHUR: Ein Brusttrauma! Die Psychoanalyse
behauptet, daß ein Säugling, dessen Nase durch die
Brust der Mutter zugedrückt wurde, im späteren
Leben diese Angst wiederbelebt.
ARTHUR: Abgesehen von solchen Robinsonaden macht
man sich innerhalb kürzester Zeit ein scharfes
Bild von einem anderen Menschen. Erstens weiß man,
ob er einem gefällt, zweitens ahnt man, welche Art
von Beziehung entstehen könnte, wenn man sich
näherkäme.
ARTHUR: Konstellationen, die nicht ausbalanciert
sind, sind gewollt. Wer zehn Jahre älter ist als
seine Partnerin, kann mit Lebenserfahrung,
beruflicher Position und finanziellem Auskommen
noch imponieren, wo er bei einer gleichaltrigen
Partnerin bereits kleine Brötchen backen müßte.
ARTHUR: Interessant ist doch, daß alles, was unter
das Thema Begegnung fällt, sinnlich und nicht
sexuell ist: Es ist meist der Blick, die Stimme...
ARTHUR: Man hat außer den Phantasien über eine
mögliche Beziehung noch andere Phantasien.
Phantasien über die Sternstunden der eigenen
Sinnlichkeit...
ARTHUR: Der Partner wird Repräsentationsobjekt und
Schmuckstück. Wir holen uns Bewunderung und
Prestige.
ARTHUR: Casanova? Die Frauen geliebt?
ARTHUR: Vernichtung ist die Schattenseite der
Verführung. Am faszinierendsten ist für mich die
Fremde, die Unbekannte, die Frau ohne Gesicht und
ohne Namen, eine Loreley. Mich kann eine Stimme
verführen, ohne daß ich je die Frau gesehen habe.
ARTHUR: Ihr lacht, aber die Begierden vieler
Menschen befriedigen sich heute in einem fiktiven
Raum. Sexualität wird mehr geschaut als gelebt.
ARTHUR: Narziß bringt sich um, als er sich bewußt
wird, nur ein Spiegelbild zu lieben. Er begehrt
sich selbst im Schein des anderen. Verführung ist
zugleich Verhängnis.
ARTHUR: Man zeigt sich von der Schokoladenseite
und vollständig aufgeräumt oder intellektuell
Kaffee schlürfend in der Ecke eines Cafés,
feinsinnig mit Bleistift und Papier.
ARTHUR: Richtig! Erobere sie mit deiner Eloquenz,
überhäufe sie mit Komplimenten. Aus mager wird
grazil und schlank, aus Kleinwuchs Flinkheit und
aus Korpulenz das Gut-im-Fleische-Stehen.
ARTHUR: Ich möchte noch einmal auf die Bedeutung
des gesellschaftlichen Erfolges zurückkommen, weil
ich schon der Meinung bin, daß Leistung und die
damit verbundene Macht erotisierend wirken.
ARTHUR: Die Beziehung zwischen Macht und Erotik
ist in vielen Fällen nicht zu verleugnen.
ARTHUR: Die post-emanzipierte Gesellschaft gibt
sich dem Spiel hin, daß alles möglich ist und
verdreht die Geschlechterrollen. Wenn die Frauen
alternative Formen von Macht entwickeln, verwischt
sich das uralte Machtspiel von Unterdrücker und
Unterdrückten.
ARTHUR: So ist der Anfang nicht nur eine Frage des
Erfindungsreichtums oder der Initiative, sondern
auch eine der günstigen Gelegenheit. Meine
Liebeskunst besteht darin, jeden Liebesmoment zu
ergreifen, als ersterbe die Liebe im nächsten
Augenblick. Es geht darum, jegliches Ziel und
damit jegliches Ende zu verdammen.
ARTHUR: Eben. Ich möchte mehr und sofort.
ARTHUR: Damit kommen wir ins Zentrum der ganzen
Sache. Die Lust, die die Körper geben und
empfinden.
ARTHUR: Liebe findet in der Sexualität ihr Telos,
so wie das Sexuelle überhaupt ihr Anfang ist. Die
Sexualität ist das Einfachste und das Schwierigste
in der Liebe, sie ist der Anfang und häufig das
Ende. Sie kann die Liebe erhalten, vertiefen oder
auch boykottieren. Alles dreht sich um den Sex.
Und das ist gut so. Ich bin dagegen, es, wie es
heute Mode ist, zu einem Moment unter anderen zu
machen.
ARTHUR: Da alleine kann sich alles erfüllen oder
nicht erfüllen. Alles Begehren – und Liebe heißt
vor allem Begehren –, verwirklicht sich in der
Sexualität. Alles andere ist Abbild, Folge,
Substitut, Kompensation.
ARTHUR: Kommen wir zum Sex zurück.
ARTHUR: Immer muß es moderat sein – in
kultivierten Formen aufgehoben. Das ist nicht das
Wesen des Sex. Die überverfeinerten Vorspielereien
haben fast etwas Asexuelles, hinter ihnen steckt
eine Angst: die Angst vor einer Überwältigung
durch ein unkontrollierbares Geschehen. Sex muß
unmittelbar sein, etwas Plötzliches und Heftiges.
Es bricht einfach durch, und du willst nur noch
eines: Lust! Du wirst ganz und gar Trieb. Ich
denke an Brechts 'Baal'.
ARTHUR: Ich beschreibe keine umfassende
Sexualität, sondern wesentliche Momente darin.
ARTHUR: So etwas habe ich nicht im Kopf. Humbug!
ARTHUR: In dem Augenblick meine ich keinen anderen
Menschen, kein konturiertes Subjekt, das ich vor
mir sehe, es ist anonym.
ARTHUR: Du bist beim Kochen und in einer äußerst
mißlichen Situation, weil du gleich Besuch
bekommst. Dabei berührt man sich zufällig, und
plötzlich gibt es einen gewaltigen Schlag der
Lust. Man fällt übereinander her, wälzt sich über
den Boden, der Stuhl fällt um, irgendetwas klirrt.
Alles gleichgültig. Das ist kein Spiel. Da ist
keine Distanz mehr. Da sind zwei Körper, die
verrückt werden aneinander.
ARTHUR: Aber ist das nicht wunderbar: Der ganze
Kopf, die ganzen Formen sind weg. Ein Delirium der
Wollust. Nicht du führst etwas aus, sondern: etwas
ereignet sich mit dir, gibt vollkommene Lust. Ich
will damit nicht Sexualität schlechthin
kennzeichnen, sondern Momente darin, die ich als
wesentliche empfinde. Natürlich spreche ich nicht
von Gewalt oder sadomasochistischem Sex.
ARTHUR: Genau! Etwas, das sich erschöpft in
somatischen Sensationen, die schwindelerregend
sind. Das, was du willst, ist jenseits aller
Sprache. Warum sollte es immer außen vor bleiben?
ARTHUR: Barbarisch? Sich in Details, ins kleinste
und einzelne zu vernarren, heißt doch, an einer
anderen Person Dinge wahrzunehmen, die ansonsten
übersehen werden. Ich mache etwas zu einem ganz
Besonderen. Das Muttermal an dieser bestimmten
Stelle, das Ohrläppchen, das Handgelenk. Natürlich
gibt es auch eine Gegenbewegung. Aber gerade diese
einzelnen Dinge, die ich besonders liebe, binden
mich sehr eng.
ARTHUR: Ist Sex nicht etwas vollkommen auf sich
selbst Fixiertes, wie Judith sagte, und der Sex zu
zweit nicht eigentlich Autoerotik? Was ich will,
ist 'meine' Lust, 'meine' Befriedigung. Darum geht
es.
ARTHUR: Und selbst wenn es beim Sex immer um die
eigene Lust ginge! Das wäre doch nicht schlimm:
Sex ist vielleicht die einzige Situation, in der
die Wünsche und die Lust des einzelnen volle
Gültigkeit besitzen. Dazu kommt das Wunderbare,
nämlich der Grund, warum Sex überhaupt
funktioniert: Mein Begehren und mein Vergnügen
können ganz und gar mit denen des anderen
zusammenfallen. Küsse ich den anderen, ist das
meine Lust, aber ebenso seine. Wo gibt es das
schon?
ARTHUR: Verschone mich! Ich ertrage keine Worte
dabei. Sex ist der Ort, an dem die Worte und die
gewöhnliche Sprache hinfällig und überflüssig ist.
Die Kommunikation der Körper ist die vollkommenste
Kommunikation, bar der Worte, überhaupt nicht
einholbar im Verbalen. Phantastische Phänomene,
die unsprachlich funktionieren.
ARTHUR: Die esoterische Kommunikation der Körper
ist natürlich selbst eine Sprache: sich zu
streicheln, zu lieben, die Spiele, der wilde
Ausbruch: alles Arten, sich zu unterhalten,
miteinander zu sprechen. Dinge zu sagen, die sich
sonst nicht sagen lassen. Aber es ist eine
hermetische, eine dunkle und zitternde Sprache,
die sich nicht übersetzen läßt in die Sprache der
Begriffe. Es entfaltet sich eine höchstverfeinerte
Unterhaltung, die in einer Sprache, wie ich sie
jetzt benutze, niemals zu reformulieren ist.
Bedeutungen, die der andere wie du selbst nur
ahnen und fühlen kannst.
ARTHUR: Haben wir nicht ein viel zu starres,
stumpfes Bild von einem Körper? Ich glaube an
einen unendlichen Prozeß, in dem sich zwei Körper
stetig zu immer neuer Lust verwickeln können. Ein
Körper ist nie etwas Abgeschlossenes und endgültig
Festgelegtes, sondern immer in Veränderung.
ARTHUR: Zuerst lernt man, was der eigene Körper
und der des anderen ist, wie sie in diesem Moment
empfinden. Aber schon dabei verändern sich Körper.
Beide entdecken an sich erogene Zonen und
Berührungen, die sie noch nicht kannten, die davor
noch gar nicht zum Körper gehörten. Was dir früher
eklig war, kann heute das süßeste Vergnügen sein.
ARTHUR: Eben. Sexuelle Erregung ist das absolut
Willkürliche. Natürlich kennt man nach einer
gewissen Zeit bestimmte Handlungen und
Situationen, Arrangements, die zur Erregung
führen. Es gibt etwas Eingespieltes, bestimmte
Tageszeiten, Orte usw. Man weiß, was einen
aufregt. Aber das ist nicht das Wesentliche: Der
größte Reiz liegt im Unerwarteten, im Plötzlichen.
Wenn in einer ganz alltäglichen und meist
unpassenden Situation ein heftiges Begehren
entsteht. Wenn du dann das Verrückteste versuchst
und alle peinlichen Überraschungen in Kauf nimmst,
um es tun zu können. Eine Düne am Strand, wo du
weißt, daß alle paar Minuten jemand vorbeikommen
wird. Oder du fährst von der Autobahn ab,
kilometerweite Umwege für einen Waldweg, obwohl du
eh zu spät bist und es Ärger geben wird. Sex
verursacht Störungen, Chaos.
ARTHUR: Ich glaube – ganz allgemein –, wenn Sex
für einen der beiden unbefriedigend bleibt, ist
das ein legitimer Grund, eine andere Beziehung zu
suchen.
ARTHUR: Es gibt eine dunkle Dynamik von Verbot,
Ekel und Lust. Ein Verbot schafft erst die Lust.
ARTHUR: Ich würde die Differenzen auch lieber an
Individuen festmachen, nicht am anatomischen
Unterschied.
ARTHUR: Die Verunsicherung des Mannes wird immer
auf die Emanzipation der Frauen und der Schwulen
zurückgeführt. Dahinter steht die Angst vor der
Befreiung des Weiblichen, vor der
Gleichberechtigung von Frauen und Schwulen, vor
allem aber die Furcht vor einer Verweiblichung
unserer Gesellschaft.
ARTHUR: Die große weibliche Phantasie arbeitet
dann ganz schön erbärmlich vor sich hin mit dem
Ding. Wenn sie drei Variationen in der Bewegung
hinbekommt, kannst du froh sein. Manchmal fühlt
man sich wie abgefertigt.
ARTHUR: So wird man(n) Agnostiker.
ARTHUR: "Schatz, ich habe Kopfschmerzen" ist
anerkannt, doch wenn die Erektion nicht hinhaut,
ist es eine peinliche Katastrophe und Grund zum
Spott. Da lachen die Männer sich selbst aus.
ARTHUR: In einer Affäre – gut! Doch in der Liebe
ist das für mich eine unerträgliche Vorstellung.
Ich wäre zutiefst gekränkt, wenn meine Freundin
das Gefühl hätte, sich duschen zu müssen. Das
hätte eine klare Aussage.
ARTHUR: Du glaubst doch nicht, daß deine Freundin
Mordphantasien hat?
ARTHUR: Ich kenne das schon. Am meisten
interessieren mich diese Black Boxes in Amerika,
dunkle Räume, in die du hineingehst und in die
andere hineingehen. AIDS hat diese schöne Idee
leider zunichte gemacht.
ARTHUR: Es gibt natürlich Spielregeln. Man darf
zum Beispiel keine persönlichen Fragen stellen.
ARTHUR: Das ist nicht fair. Jetzt interessiert
mich aber auch, was du damit meinst. Stellst du
dir vor, daß ihr die Rollen tauschen könntet, daß
du plötzlich der Mann bist? Aber wie machst du das
dann im Bett beim Sex? Da finden doch deine
Vorstellungen vom Tausch der Geschlechtsidentität
reale Grenzen. Den Penis hat schließlich er und
nicht du.
ARTHUR: Strümpfe und Strumpfhalter haben noch eine
andere Bedeutung: Sie unterstreichen die Länge der
Beine. Angefangen von den hohen Absätzen der
Schuhe bilden sie eine Gerade bis hoch hinauf zum
Slip. Darin liegt die Vorstellung des schmalen,
langen Stiels, die Hauptquelle aller Lust.
ARTHUR: Dann ist dir etwas Wesentliches am Mann
entgangen. Wahrscheinlich achtest du mehr darauf,
wie ein Mann dir allein mit Worten den Himmel auf
Erden bereitet.
ARTHUR: Wie stellst du dir denn den Körper einer
Frau vor?
ARTHUR: Sehr nekrophil.
ARTHUR: Warum betonst du das so?
ARTHUR: Wenn man dich stehen läßt?
ARTHUR: Das waren ja zwei Assoziationen, einmal
Schimmel und Sex und einmal Verwesung und Sex.
ARTHUR: Der Inbegriff des Höchsten wäre also eine
Frau gebettet in Schleim und Schimmel.
ARTHUR: Da gibt es nichts zu bewahren, höchstens
im Kopf, in der intellektuellen Verarbeitung der
eigenen Geschichte, nicht aber im Unterleib.
ARTHUR: Ich möchte mich jetzt nicht auf eine
solche kunstphilosophische Diskussion einlassen.
Das ist doch ein wenig schematisch dahergesagt.
Wir sollten lieber unsere eigenen Phantasien zu
Wort kommen lassen, als über die Art und Weise zu
reden, wie Männer und Frauen ihre Bettgeschichten
verarbeiten. Das klappt mit der Philosophie eh
nicht.
ARTHUR: Und es hat etwas sehr Voyeuristisches. Ich
frage mich nur, wie man sich auf diese Weise
auslöschen kann. Der Gedanke der Auslöschung ist
mir zwar nicht fremd, aber ich stelle mir sie
nicht so vermittelt vor. Eher hat das für mich
etwas mit absoluter Unmittelbarkeit zu tun. Die
Auslöschung, und eben auch die eigene, erfolgt mit
einem Schlag. Du fällst sie oder dich selbst, wie
du einen Baum fällen würdest mit dem letzten
entscheidenden Schlag deines Beiles. Das hat auch
etwas mit der Sexualität zu tun. Die beiden Leiber
gehen aufeinander zu und rammen unter Getöse
aneinander wie der Bug zweier Schiffe unter
Wasser. Es ist ein dumpfes Geräusch, das dir dein
eigenes Ende blitzartig vor Augen führt. Da ist
dann kein Raum mehr für irgendwelche
idealistischen Verschmelzungsphantasien. Da siehst
du nur noch schwarz vor Augen.
ARTHUR: Ja, oder daß man Stutenurin trinkt, um
sich zu verjüngen und leistungsfähiger zu sein,
wie es bei Hans Henny Jahnn zu lesen ist.
ARTHUR: Tack tack.
ARTHUR: Sie ist zerstörerisch, sie treibt die
Beziehungen an ihr Ende. Sie zwingt schließlich
den Partner, gegen den sich die Eifersucht wendet,
in Verstrickungen hinein, aus denen er sich nicht
mehr herauswinden kann. Er fängt an zu lügen, um
den kleinsten der Gründe für ein Aufbrausen des
anderen aus der Welt zu wischen.
ARTHUR: Das ist doch pure Ideologie, Eifersucht
ist nicht ein zwangsläufiger Bestandteil der Liebe
und schon gar kein Liebesbeweis.
ARTHUR: Das mußt du schon erklären.
ARTHUR: Ich weiß nicht. Ich bin da überhaupt nicht
repräsentativ, weil ich das Gefühl der Eifersucht
nicht kenne. Ich habe das früher einmal gekannt,
in meiner allerersten Beziehung, und dann nie
wieder. Vielleicht habe ich es einfach ausradiert,
weil es zu verletzend war.
ARTHUR: Nun ja, in lustvollen, netten
Inszenierungen kommt die Eifersucht schon vor.
ARTHUR: Vielleicht lasse ich in der Inszenierung
zu, was ich sonst nicht zulasse. Es gibt natürlich
Grenzen, zum Beispiel, wenn ich meine Freundin mit
einem anderen im Bett erwische. Die Reaktion, die
ich mir daraufhin vorstellen könnte, hat im
eigentlichen Sinne nichts mit Eifersucht zu tun.
In dem Moment wäre mein Liebesobjekt tot. Ende.
ARTHUR: Nein. Es würde mich nicht verletzen. Mein
Liebesobjekt wäre einfach tot. Es würde daliegen
wie ein abgeschossener Hase. Wäre hinüber.
ARTHUR: Der körperliche Kontakt könnte vielleicht
so eine Grenze sein. Wenn sie einen anderen Mann
küßt, ist diese Grenze überschritten.
ARTHUR: Wenn ich mir vorstelle, daß meine Freundin
früher schon mit einem anderen im Bett gelegen
hat, werde ich zur Bestie. Ich will der einzige
sein, auch wenn ich weiß, daß es nicht so ist.
ARTHUR: ...als die Liebe zum Herrn.
ARTHUR: Das ist aber Mimikry. Vollendet.
ARTHUR: Du hättest auch sagen können: "Ich bin du,
Entschuldigung!"
ARTHUR: Was hat dein Freund dazu gesagt?
ARTHUR: Das ist eine extreme Identifikation. Genau
so funktioniert das.
ARTHUR: Ich finde den Gedanken unerträglich, daß
meine Freundin bei meinen Verflossenen anruft. Das
wäre ungeheuerlich. Das ist meine Geschichte.
ARTHUR: Da unterschätzt du die Energien, die frei
gesetzt werden können. Interessant ist, daß du
nicht aggressiv auf ihn reagiert hast, sondern
dich mit den Frauen indentifiziert hast. Wenn die
Frauen dich liebten, konntest du dich selbst
lieben.
ARTHUR: Anders noch: Du führst den Betrug endlich
durch. Dieser Wahn, der zunächst auf nichts
beruht, verhilft dem Betrug zur Realität. Du
betrügst deinen rasend eifersüchtigen Partner, um
dem Wahn einen Boden zu geben. Endlich hat die
Raserei einen Grund! Das kann sogar einen Effekt
von Erleichterung haben, vielleicht sogar für
beide. Jeder Wahn hat die Eigenschaft, sich in
ungreifbare Gegenden zu versteigen. Mit diesem
realen Betrug wird er zum Teil wieder auf den
Boden der Wirklichkeit zurückgebracht.
ARTHUR: Ja, ich glaube an die Wirksamkeit dieses
Verfahrens.
ARTHUR: Würde in einer Beziehung nicht alles
umgekrempelt, wenn der Partner aus solchen
Verhaltensweisen ausbricht? Bei manchen scheint
mir das Fehlen der Eifersucht des Partners zum
Stachel für die Liebe zu werden.
ARTHUR: Dann bist du natürlich enttäuscht, wenn du
nichts weiter findest als ein schlafendes Bündel.
ARTHUR: Ich kann nicht verstehen, daß in unserem
Gespräch die Eifersucht immer noch als eine Sorge
um den anderen Menschen dargestellt wird. Mir
erscheint sie vielmehr als sehr egozentrisch,
narzißtisch. Was gibt die Eifersucht denn dem
anderen Menschen? Handelt es sich dabei nicht um
eine ungeheuerliche und nicht zu erfüllende
Forderung, nämlich in allem auf den Partner
bezogen zu sein und seiner Sucht, alles auf sich
beziehen zu wollen, entgegenzukommen? Weil in
Wahrheit ein Hunger nach Selbstbestätigung
besteht? Die narzißtische Natur der Eifersucht
wird dadurch bewiesen, daß sie oft richtungslos
bleibt, daß sie häufig gar nicht weiß, auf wen
oder was sie sich bezieht. Sie ist Ausdruck eines
leeren Egos. Man will voll werden vom anderen, ihn
einverleiben, sich endlich an ihm sättigen, seinen
Liebeshunger ein für allemal stillen.
ARTHUR: Das ist die blanke Illusion. Nach einem
halben oder einem Jahr ist der erste große Ansturm
der Leidenschaft verwirkt. Danach kann es nur noch
darum gehen, die sich einstellenden Streitereien
oder das Hervortreten der Eigenarten des anderen
auszuhalten. Man muß sich darüber im klaren sein,
daß die so erzielte Harmonie ein Kompromiß ist,
dem du, wenn du die Beziehung auf Dauer anlegst,
nicht entkommen kannst.
ARTHUR: Die Einschätzung des Partners ist
entscheidend, wenn man ein Stadium erreicht hat,
bei dem es um die Frage geht: Sein oder Nichtsein
der Beziehung. Dazu gehört vor allem, ob er deine
und du seine Marotten akzeptierst.
ARTHUR: Ja, man läßt den anderen in die Mine
treten!
ARTHUR: Alles, von der einfachen Tretmine bis zur
Splittermine.
ARTHUR: Das ist doch Schwachsinn.
ARTHUR: ...desto mehr werden die Gedanken aus
deinem Körper in deinen Kopf getrieben. Wenn
gewisse Dinge fallen, fällt der Groschen.
ARTHUR: Ich bin für abgeschlossene Toiletten und
Badezimmertüren. Wichtig ist, daß Vertrautheit
entsteht, daß man sich verhalten kann, wie man
will, ohne sich rechtfertigen zu müssen. Hier
entsteht das Gefühl von Sicherheit.
ARTHUR: Das Bedürfnis, seine eigene Nackheit in
ein Geheimnis zu verhüllen, ist in eine
feinsinnige Dialektik von Verbergung und
Enthüllung verwoben. Es bildet die unterirdische
Antriebskraft für das Begehren. Wenn sich die
Partner nach der stürmischen Phase des Anfangs auf
dieses Spiel nicht mehr einlassen, führt der Weg
zwangsläufig in die Abstumpfung.
ARTHUR: Das hört sich sehr nach Klammern an. Ich
würde mit Aggressionen reagieren, wenn man
versuchen würde, mich ständig hinter sich
herzuziehen. Da halte ich es mehr mit der Devise,
sich seine Partnerin ein wenig auf Distanz zu
halten.
ARTHUR: Die Geschichte, die man gemeinsam hat,
wird zu der Geschichte überhaupt. Als Beschwörung
der eigenen Liebe, ihrer Besonderheit und ihrer
Endgültigkeit wird sie unendlich erzählt. Man
rekonstruiert sie und entdeckt immer Neues, was zu
ihr gehört. Sie wird immer länger, greift immer
weiter zurück in die Vergangenheit. Irgendwann
beginnst du die Geschichte ein halbes Jahr früher,
an dem Tag nämlich, an dem du zufällig und eher
widerwillig mit einem Kollegen einen Kaffee
getrunken hast, der dich auf die Party einlädt, wo
du den Bruder deiner jetzigen Freundin triffst...
ARTHUR: Du machst die Liebe zu einer Geschichte.
Du setzt sie ab von dem, was sonst geschieht, dem
Zufall, dem Zerstreuten. Daraus erhält alles
seinen restlosen Sinn.
ARTHUR: Für mich sind Männerfreundschaften der
Inbegriff des Grauens.
ARTHUR: Ich möchte in der Freundschaft wie in der
Liebe so akzeptiert werden wie ich bin, mit meinen
Qualitäten und Fehlern. Diese Anerkennung finde
ich eher bei Frauen.
ARTHUR: Das ist sehr traurig. Die Arbeit an der
Liebe, der Einsatz, etwas aufzubauen, ist ein
wichtiges Moment. Auch in der freundschaftlichen
Liebe.
ARTHUR: Dreieckskonstellationen führen zu
Vergleichen, und der Vergleich führt zur
Eifersucht. Wer ist der Stärkere, ich oder der
Rivale?
ARTHUR: Oft ist der Rivale nur scheinbar abwesend.
Er wird durch einen Spaltungsmechanismus oder
durch die Phantasie ersetzt: Die geliebte Person
spaltet sich dann in Subjekt und Objekt. Dabei
werden die drei Spitzen des Dreiecks wieder
hergestellt.
ARTHUR: Das hat nichts mit Zerstörung zu tun. Eher
ist es eine Art Naturgesetz, daß zwischen zweien
ein Drittes auftauchen muß. Mit diesem Dritten
entwerfe ich Möglichkeiten, Freiräume, hier
siedelt sich meine Imagination an. Dieses Dritte
gibt mir die Gelegenheit, mich ab und zu aus der
Zweierbeziehung zu entfernen. Das soll keine
Bedrohung für meine Partnerin darstellen. Das ist
der Raum, den ich für mich beanspruche, und ohne
dessen Gewährung ich nicht in der Lage wäre,
überhaupt eine Beziehung zu führen. Die
Vorstellung, dieses Dritte wäre ausgeschlossen,
ist für mich ein Horror. Ich sehe nicht ein, warum
es mir verboten sein soll, Bilder von anderen
Frauen zu entwerfen, ihnen auch ein bißchen zu
huldigen. Ich liebe nun einmal die Schönheit, sie
entzündet, inspiriert mich, und was ich liebe, das
male ich mir aus.
ARTHUR: Oder er ist der Inbegriff des
Dionysischen, der Vervielfältigung der Lust. Eine
Übertretung der Grenze, die das reale Leben
auferlegt. Das Treuekonzept ist doch nur ein
moralisches Konstrukt, dazu da, gewissen
Leidenschaften einen Riegel vorzuschieben und das
promiskuitive Leben zu verhindern.
ARTHUR: Eine überaus noble Geste.
ARTHUR: Welche Rolle hat der andere Mann in deinem
Leben gespielt?
ARTHUR: Zwei Menschen auf einer Insel sind nicht
lebensfähig. Damit assoziierte ich immer nur die
folie deux.
ARTHUR: Du scheinst eine sehr positive Auffassung
von der folie deux zu haben. Für mich ist das
eher die Verwirklichung eines Alptraums. Hier wird
nun tatsächlich das dritte Moment ausgeschlossen,
und gerade aufgrund dieses Ausschlusses kann sich
der Wahnsinn einnisten.
ARTHUR: Oh, die Ausformungen dieses Wahnsinns sind
so vielfältig, wie es die menschliche Psyche nur
sein kann. Entscheidend für mich ist, daß so
scheinbar harmlose Vorstellungen von Harmonie im
Terror enden.
ARTHUR: Bist du von allen guten Geistern
verlassen?
ARTHUR: Du hast recht, während auf der einen Seite
die Liebe mit ihren unzähligen Spielarten steht,
breitet sich hier ein ganzes Arsenal von möglichen
Waffen zwischen zwei Menschen aus. Ausdrücke wie
'Stierkampfarena', 'Schlachtfeld' liegen da nahe.
Es kann einem schon manchmal einen Schrecken
einjagen, welch subtile Waffen der Geist zweier
Liebender auszutüfteln vermag.
ARTHUR: Ich halte Rebeccas Schilderungen für eine
Art Mauerblümchen-Phantasie.
ARTHUR: Worauf spielst du an? Auf die
Ich-liebe-dich-Litaneien, mit denen vom anderen
permanent der Liebesschwur abverlangt wird? Ich
finde es extrem disharmonisch, wenn von mir der
permanente Eid verlangt wird. Es reicht nicht, daß
ich handle und daß sich meine Liebe in diesen
Handlungen ausdrückt. Ich werde gezwungen, diese
Liebe zu formulieren. Liebe ohne Sprache wird zur
Nicht-Liebe deklariert. Das wird zum inflationären
Liebesbeweis: Liebst du mich? Ja! Liebst du mich
auch wirklich? Ja! Das ist ein Infinitumprozeß,
das sind schließlich doch Zeichen von Nichtliebe.
ARTHUR: Oder sie getötet wird.
ARTHUR: Das ist die Krise in Permanenz. Der
Krisenzustand kann auch ein Mittel sein, die
Beziehung lebendig zu halten. Oftmals lassen sich
dann Krise und Trennung gar nicht mehr voneinander
unterscheiden.
ARTHUR: Was darauf hinausläuft, daß man zusammen
entweder ganz schnell eine Eigentumswohnung kauft
oder sich ohne großes Theater trennt.
ARTHUR: Ich könnte mir vorstellen, gegenüber
meiner Freundin einen richtigen Ekel zu
entwickeln. Plötzlich würde ich dann einen Geruch
an ihr wahrnehmen, der mich vollkommen abstoßen
würde; einen Geruch, den ich mit Unsauberkeit und
Fäulnis verbinde.
ARTHUR: Nein, ich meine das eher im übertragenen
Sinn. Das ist nur eine Vorstellung, in die du dich
hineinsteigern kannst. Vielleicht riecht sie gar
nicht anders als sonst auch, aber ihr Geruch ist
dir plötzlich fremd.
ARTHUR: Die Entfremdung entsteht in vergilbten
Bilderhaufen. Je weiter eine Beziehung in der Zeit
fortschreitet, um so größer wird dieser
Bilderhaufen. Dort stinken die alten Streitereien
und Enttäuschungen, dort verfaulen nicht verdaute
Verletzlichkeiten und kleine Boshaftigkeiten,
gedeihen die alten Vorwürfe und Häßlichkeiten. Das
legt sich auf einen wie wie muffiger Pilz.
ARTHUR: Das, was Du Jan ständig vorgeworfen hast,
hat euch dennoch gerettet. Was für eine
eigenartige Paradoxie!
ARTHUR: Du gehst davon aus, daß bei beiden die
Bereitschaft zum Kampf besteht. Es ist aber auch
möglich, daß einer sich herauszuziehen beginnt. Wo
zwei miteinander ringen, sind sie doch immer noch
aneinander interessiert.
ARTHUR: Das klingt sehr pathetisch. Ich würde
diese Dinge allenfalls zurückhaben wollen, weil es
mir um das schöne Geld leid täte, was ich für die
dumme Ziege rausgeschmissen habe.
ARTHUR: Niemand ist gezwungen, sich all das auch
noch anzuhören! Die Welt ist ja groß genug, um
sich aus dem Weg zu gehen.
ARTHUR: Nein nein, das Lachen ist hier fehl am
Platze. Das ist das Ende.
ARTHUR: Das Thema Trennung ist wahrscheinlich
genauso kompliziert wie das der Liebe. Beide haben
unzählige Erscheinungsformen.
ARTHUR: Jan, hast du nie die Schnauze voll?
ARTHUR: Ist das Phantasielosigkeit? Nach einer
Trennung tauchen doch erst wieder all jene
Wünsche, Hoffnungen, Utopien von verdrängten
Lebensentwürfen auf, die in der notwendig
begrenzten Liebesbeziehung keinen Raum haben
konnten.
ARTHUR: Ich kann das gar nicht voneinander
trennen. Ich löse mich von einem bestimmten Bild,
das ich von meiner Geliebten habe nur, als ich
mich auch von meinem eigenen Zwang trenne, die
andere als diese Bestimmte zu entwerfen. Mit
anderen Worten: Ich trenne mich von einer
Bewußtseinsverfassung meiner selbst, indem ich die
andere verlasse. Endgültig. Da gibt es kein
Zurück.
ARTHUR: Vielleicht. Auch Gehenkönnen will gelernt
sein.
ARTHUR: Will sagen: Liebe findet im Kopf statt.
ARTHUR: Auch wenn man Verhaltensweisen eingespielt
hat, verlieren sie also nicht ganz ihre Bedeutung.
ARTHUR: Mir scheint, daß sie nur aufgeschoben
wird. Der neuralgische Punkt ist nicht
auszulöschen, andernfalls hätte das
Sich-trennen-Wollen doch irgendwann ein Ende.
ARTHUR: Die Außenperspektive geht verloren, das
Korrektiv, die zweite Deutung dessen, was mein
Leben bis dahin war, das ich mit der anderen
geteilt habe. Meine Vergangenheit wird erst dann
ganz meine, aber sie entzieht sich nach der
Trennung von ihrem Teilhaber auch der anderen
Deutung, sie sedimentiert sich, wird starr.
ARTHUR: So entsteht die eigene Geschichte. Bliebe
alles Erlebte für zukünftige Deutungen offen, wäre
man ja immer am Nullpunkt des eigenen Weges.
Irgendwann muß man sich entscheiden – und oft tut
man es erst in der Trennung vom anderen. Und
dieser interpretatorischen Entscheidung über die
gemeinsame Vergangenheit sind alle Entscheidungen
gegen die versäumten Möglichkeiten inhärent. Um
diese andere Geschichte, die ich hätte haben
können, trauere ich im Moment des Gehens, weniger
um die Frau, mit der ich nun nicht mehr
zusammenleben werde.
ARTHUR: Steckt in diesem Anderswerden eine
Entwicklung?
ARTHUR: Existentialismus pur.
ARTHUR: Ich weiß nicht, ob man das Maß einer
vollzogenen Trennung wirklich an der Präsenz von
Gegenständen, Zeichen und Symbolen ablesen kann.
Es gibt einen großen Unterschied zwischen denen,
die bewußt alles mitnehmen oder alles
zurückbehalten, was zu der gemeinsamen Zeit
gehörte, und denen, die sich um die
zurückgelassenen Spuren nicht weiter scheren.
ARTHUR: Wer geht, der läßt zurück, der nimmt
nichts mit.
ARTHUR: Warum? Nach der Trennung fängt doch die
Zeit, das neue Leben, erst wieder an?
ARTHUR: Eben Welt. Ist das nicht auch reizvoll,
diese Unausgelegtheit der Welt, diese Offenheit
und neue Auslegbarkeit?
ARTHUR: Ich trenne mich von meiner Freundin, wenn
ich sie mit einem anderen im Bett finde. Wir haben
uns dann nichts mehr zu sagen, sie hat das, was
sie lebendig machte, einem anderen gegeben. Wer
das Geheimnis seines Bettes preisgibt, verwirkt
sich alle Liebe.
ARTHUR: Aber sie kann von mir als dem Betrogenen
doch gar nicht ermessen werden. Schluß ist, wenn
meine Geliebte mit einem anderen auch nur Händchen
hält. Wenn sie sich öfter mal mit ihm trifft, weil
er so schön über Goethe-Gedichte zu sinnieren
versteht, kann ich über den Grad ihres
Verliebtseins doch nur spekulieren. Ich bin da
ganz Materialist. Nur im Körperlichen gibt es
absolute Grenzen. Das faktische Geschehen
überzeugt mich mehr als die Ausflüge meiner
Freundin ins Geistige. Da ist alles unbestimmbar.
ARTHUR: Und was war da so anders?
ARTHUR: Wir haben eine Reihe verschiedener und
widersprüchlicher Trennungsanlässe angesprochen.
Einer ist die negative Epiphanie ohne Begründung,
ein anderer die langsame Einsicht in die
Lieblosigkeit der Liebe. Einige unter uns
begründen ihre Trennung vom Geliebten mit den
ausgebliebenen Worten, andere mit der Entfremdung
des geliebten Körpers. An beiden aber hängt man,
an den Worten des anderen und an seinem Körper.
Wie lange dauert der Ablösungsprozeß nach der
Trennung?
ARTHUR: Bei mir geht so etwas immer ganz radikal,
zack-zack. Wenn die Sache entschieden ist, gibt es
keine Begegnungen mehr mit ihr. Was würde das noch
bringen? Erneute Unsicherheit, erneute Reflexion,
die Verlängerung der Qual.
ARTHUR: Ich versuche, die Erinnerung und die noch
vorhandenen Gefühle möglichst schnell bis an ihr
Ende zu führen. Ich steigere den Schmerz durch
traurige Musik, isoliere mich vollständig, ich
bringe mich an die Grenze meiner Leidensfähigkeit
– und nach ein paar Tagen ist das Leiden
ausgereizt, es sticht nicht mehr. Das Frühstück
schmeckt mir wieder, das Kino, ein Spaziergang,
die Gesellschaft anderer Menschen machen mir
Freude. Ich halte nichts von den langsamen
Trennungen, in ihnen verfließt der Schmerz in der
Zeit und endet in der Langeweile, die mir von
verlassenen Geliebten entgegenschlägt. Lieber
leide ich intensiv und bewahre mir das Besondere
an ihr, das die Zeit nur zerstören würde.
ARTHUR: Dann ruft sie dich an, du weißt es genau,
daß sie es ist. Du sagst: "Hallo!" Sie meldet sich
nicht. Du sagst: "Wer ist da bitte?" Sie meldet
sich nicht. Mit einem Mal klickt es, und die
Leitung ist tot. Schweigen.
ARTHUR: Verliebtsein antizipiert die unmittelbare
Lust, und Erregung mindert die
Zurechnungsfähigkeit.
ARTHUR: Beginnt das Gefühl nicht, wenn das "Ich
bin verrückt nach der Haut, die ich da vor mir
sehe" in das definitiv Sexuelle umschlägt? Beginnt
die Verliebtheit nicht mit der physischen
Erektion?
ARTHUR: Siehst du, das ist bei mir ganz anders.
Vom ersten Tag an kann ich mir den Körper sehr
genau vorstellen...
ARTHUR: Ihr seid denaturiert! Warum gegen die
Regungen des Fleisches angehen, warum den
sanguinischen Appetit zügeln, wenn man Lust auf
Sex hat? In euren schöngeistigen Gourmet-Begriffen
bleibt das Berserkerhaft-Leidenschaftliche völlig
ausgespart.
ARTHUR: Eine unmittelbare, ungebremste,
fleischliche Lust und irrsinnige Erregtheit, die
sich nicht um irgendwelche sublimierte Formen
schert, sondern einfach drauflosspringt. Die
heftigen Aufwallungen haben ihren Impuls in der
animalischen Natur des Menschen. Ihnen möchte ich
mich hingeben.
ARTHUR: Unsinn! Jedermann hat diesen Rest von
Instinkt und Authentizität in sich. Deshalb sind
die Momente spannend, in denen es durchschlägt und
die Spiele und das Kultivierte beseitigt werden,
Momente, in denen etwas aufbricht. Um sich danach
wieder aufzufangen und sich zurückzunehmen, erneut
spielerisch zu werden. Die Verliebtheit lebt von
diesen Perspektiven.
ARTHUR: Das ist mir zu verklärt.
ARTHUR: Verlieben wäre ein Betreten des neuen
Lebens ohne Paß.
ARTHUR: Wenn das nicht ein romantischer Mythos
ist!
ARTHUR: Du legst großen Wert auf die Trennung von
Gefühl und Sex.
ARTHUR: De facto verliebt man sich nur in sich
selbst.
ARTHUR: Das narzißtische Spiel, das Gabriel
beschreibt, ist ja noch infamer, wenn man bedenkt,
daß in der Liebe immer auch eine Idealisierung
stattfindet. Derart künstlich überhöht, wirft die
Geliebte einen unendlich verzaubernden Schein auf
mich zurück.
ARTHUR: Sterben auf dem Höhepunkt der Liebe: da
geht es nicht um eine Apologie des Todes, sondern
darum, in der Fülle zu bleiben, sie zu bewahren.
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